Francoiz Breut

Á L’aveuglette

Le Pop

Der Auftritt der französischen Sängerin und Songwriterin Francoiz Breut war eins der raren Highlights der letzten Popkomm, die immer mehr zu einer Alles-muss-raus-Veranstaltung mutiert, bei der neue Vermarktungsmodelle die immer leiser werdende Musik verdrängen.

Auf einer groß gesponserten, von 3Sat live übertragenen Veranstaltung, eingezwängt zwischen die betont harmlosen Auftritte der niedlich säuselnden Chanteusen Marie Modiano und Coralie Clement, zeigte La Breut eine Klasse, die man sonst bei alten Heldinnen wie Hardy oder Birkin sucht, aber heutzutage längst nicht mehr findet. Nur von einem Schlagzeuger und einem Gitarristen begleitet, stellte sie die Songs ihres vierten Albums „Á L’aveuglette“ vor.

Im Unterschied zu früheren Werken, für die Kollegen wie Calexico, Herman Düne, Jérôme Miniére und ihr Ex-Lebensgefährte Dommique A. Songs beisteuerten, stammen diesmal alle Texte von der ausgebildeten Illustratorin selbst. Die dazugehörige Musik entstand im Proberaum, zusammen mit den langjährigen Bandmitgliedern Boris Gronemberger und Luc Rambo.

Man spürt sofort die ungezwungene, sehr lebendige Atmosphäre, die dort geherrscht haben muss, besonders schön im ruhig, aber rau rockenden „Terre d’ombre“. Das raffiniert stolpernde „Dunkerque“ mit seinen dunklen Moll-Akkorden kommt fast nur mit Gitarre, Schlagzeug und Gesang aus, bis zum Schluss nervös zitternde Streicher die wohlig morbide Spannung bis zum Unerträglichen steigern. „Nébuleux bonhomme“ ist dagegen ein stürmischer Rocker, dessen Ursprung man eher in einer Garage in Detroit vermuten würde – wäre da nicht diese kostbare Sehnsucht in der Stimme der Sängerin.

Man weiß sofort, was Calexicos Joey Burns dazu gebracht hat, auf dem letzten, ebenfalls wunderbaren Album „Une saison volée“ den Kontrabass zu spielen: In diesen Chansons paart sich die leidenschaftliche Romantik des alten Europa mit der ewigen Rebellion des angloamerikanischen Garagen-Rock. Beim meisterhaften „L‘ étincelle ou la contrainte du feu“ entwickelt sich aus der Klangästhetik eines alten Vox-Gitarrenverstärkers und dessen lustvoll zurückgenommenem Dröhnen eine raffinierte Komposition.

Der wehmütige Chorgesang, ein fast südamerikanischer Rhythmus und eine leise Oboe, ganz weit im Hintergrund, das erinnert an einen alten, etwas unheimlichen Palast, den junge Menschen besetzt haben, um dort heimlich Party zu feiern. „2013“, in dem sich Francoiz Breut die Zukunft ihres Sohns ausmalt, ist dann ein bezauberndes ätherisches Schweben auf Streichern, Marimbas und einem, wie so oft auf diesem Album, einzigartigen Chorgesang.

„Á L’aveuglette“ ist durchdrungen vom Willen, die Traditionen zweier sehr unterschiedlicher Kulturen zusammenzubringen, ohne die Leichtigkeit und das Spielerische zu opfern. Und das ist Francoiz Breut auf diesem erleuchteten Album so gut gelungen wie noch nie zuvor. (Le Pop/Groove Attack)