Frank Sinatra – Young Blue Eyes

Die ersten Monate mit Tommy Dorseys Band bezeichnete Frankieboy viele Jahre später mal als „die miserabelsten in meinem ganzen Leben als Sänger“. Gelegentlich brachten Kritiker ein paar höfliche bis recht freundliche Worte über seine Sangesleistungen zu Papier, aber nicht alle. Über seine Premiere im Astor Roof im Mai 1940 konnte man in „Billboard“ lesen, Sinatra sei zwar ein guter Balladensänger, aber eine Null in Sachen showmanship. Die Nr. 1 unter den Sängern war damals Ray Eberly, Frontmann der Glenn Miller Band. Frank Sinatra führte „Billboard“ damals gerade mal auf Platz 22.

Aber der junge Mann zeigte sich lernfähig. Als er sich 1942 mit ein wenig Hilfe prominenter Freunde aus seinem Vertrag mit dem Bandleader herauskaufte, war er binnen weniger Jahre nicht nur zu einem der bekanntesten Sanges- und Teenie-Idole avanciert. Nebenbei nährte sein Erfolg auch die Idee, dass der Sänger weit wichtiger sein könnte als die Tanzkapelle, mit der er auftrat.

Komplett wurden die frühen Studioaufnahmen – knapp 90 in gerade mal anderthalb Jahren von RCA in England erstmals in den frühen 70er Jahren in dem wunderbaren LP-Box-Set „The Dorsey/Sinatra-Sessions 1940-1942“

veröffentlicht Das 5-CD-Set „The Song Is You“ enthielt später als Zugabe auf dem letzten Plättchen auch viele Mitschnitte von bis dahin unveröffentlichten Auftritten mit dem Tommy Dorsey Orchestra. In ausgesprochen „historischer“ Klangqualität, denn damals existierte noch nicht die ganze Trick-Kiste digitaler Bearbeitungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe man auch aus üblichen Lackfolien-Mitschnitten Erstaunliches zaubern kann.

Was Tonmann Doug Pomeroy jetzt für „Birth Of The Crooner“ in Sachen klanglicher Restauration zuwege brachte, ist – erst recht im Vergleich zu anderen von diesen Mitschnitten zirkulierenden CDs – ein kleines Wunderwerk. Natürlich hat Mittelwellen-Funk hier nicht denselben Live-Realismus wie die fabelhaft renovierten Studioaufnahmen, die Sinatra danach in den 40er Jahren für Columbia machte. Aber wenn die auch auf solchen Folien erhaltenen Mitschnitte von Hank Williams oder den Everly Brothers endlich auch mal so sorgsam restauriert erscheinen würden, hätte garantiert niemand etwas dagegen.

Paradox, aber Tatsache: Die Studioversion von „Snootie Little Cutie“, eine der ersten Kompositionen des jungen Bobby Troup (der von „Route 66“) klingt ungleich mehr verfärbt und verzerrt als die Live-Darbietung hier. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Viele Jimi-Hendrix-Bootlegs oder das berühmte „Live’r Than You’ll Ever Be“ von den Stones klingen ziemlich grausam im Vergleich zu vielen dieser Rundfunkaufzeichnungen.

Der Autor der Liner Notes vertritt die etwas gewagte These, dass Sinatra mit seiner Art, Balladen vorzutragen, Jazzer von Charlie Parker bis John Coltrane maßgeblich beeinflusst hat. Ein paar plausible Argumente führt er aber tatsächlich ins Feld.

Als die letzten hier dokumentierten Aufnahmen entstanden, war das schon nicht mehr Tommys Show, es war die von Frank. Der gab viele Jahre später zu: „Tommy hat mich alles gelehrt, was ich übers Singen weiß. Nebenbei allerdings auch, dass man als Gesangsstar eine Ein-Mann-Industrie werden kann. Eine Lektion, die Elvis – immer dem Colonel vertrauend – nie kapieren sollte.

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