Gossip

„Music For Men“

Mit dem ruppigen Beat, dem Schrammelbass, dem New-Wave-Gitarrenriff von „2012“ möchte einem Beth Ditto erst noch weismachen, dass es hier um irgend so ein Indierock-Ding geht. Doch als sich dieser Kracher, mit dem die neue Gossip-Platte „Music For Men“ beginnt, gegen Ende in ein „I Was Made For Loving You“-Rip-off verwandelt, ahnt man, dass sich auf dem vierten Studioalbum des US-Trios ein Tanzabendflirt anbahnt.

Und je länger die Platte dauert, umso mehr mutiert das Vozeige-Riot-Grrrl Beth Ditto, die gerade zur Dick-ist-schick-Muse Karl Lagerfelds erkoren wurde, zur schrillen Disco-Queen. Bevor es so weit ist, gibt es zwar noch das zickige „8th Wonder“, den Stampfer „Dimestore Diamond“, in dem Ditto auf Bowie macht und ein bisschen New Wave in „For Keeps“ zu hören.

Spätestens dann beginnt aber die Reise ins glamouröse Disco-Wunderland. „Four Letter Word“ zitiert mit seinen Synthie-Beats die 80er Jahre, „Looks like it’s gonna rain again/ Oh, another four letter word/ Never gonna fall in love again, Oh, another four letter word“, schmachtet Ditto und dreht sich zur Glitzerkugel. „Heavy Cross“ tobt sich im „Eye Of The Tiger“-Galopp und mit „Uhuhuh“-Gesäusel zwischen Rockschuppen und Dancefloor aus. „Love And Let Love“ tanzt zu zischenden Hi-hats und funky Gitarren die Break-up-Melancholie fort.

„Love Long Distance“ kreiselt selbstvergessen auf die Mitte der Tanzfläche zu, und bei „Men In Love“ ist man schließlich mitten drin im Disco-Inferno: „Dance like there’s nobody looking“, fordert Ditto in Partylaune, formuliert damit so etwas wie das Motto das Albums, und der Soundtrack dazu zitiert sich vergnügt durch die Popgeschichte, vermantscht Aretha Franklin und abermals Kiss.

Was danach kommt, ist nur noch Zugabe. Aufmüpfige Sequenzer in „Pop Goes The World“, B-52’s-Herumgeturne in „Spare Me From The Mold“ und Rock’n’Roll-Ennui in „Vertical Rhythm“. Ach ja, Rick Rubin hat das Album übrigens produziert. Ohne, dass man das wirklich merkt. (Sony BMG)

Gunther Reinhardt