Graham Nash

„Reflections“

Im Kreise seiner mild verschrobenen Kollegen Stephen Stills, David Crosby und Neil Young war er der Normale und der Stille- und der einzige Engländer außerdem. Mit den Hollies hatte Graham Nash bereits eine beachtliche Karriere gemacht, als er 1967- nach dem Misserfolg der Single „Midas In Reverse“ – den Bettel hinwarf.

In Los Angeles schloss er sich Stills und Crosby an, woraufhin sie ihr legendäres Debüt aufnahmen, legendär mit Neil Young fusionierten, legendäre Stadion-Tourneen unternahmen, legendäre Mengen von Drogen verputzten und legendäre Liebschaften unterhielten. Später nahm Nash einige Solo-Alben auf, musizierte dann vor allem mit David Crosby als Crosby-Nash, doch bei etlichen Gelegenheiten traten auch Stills und Young wieder hinzu, was zu wenig erquicklichen Spätwerken wie „Daylight Again“ führte.

Der introvertierte Brite war an einigen der berühmten Songs- immerhin an „Marrakesh Express“ und „Teach Your Children“- beteiligt und blieb gern im Hintergrund. Wenn man seine Liaisons bedenkt – Rita Cooldidge und Joni Mitchell darunter – könnte man maliziös bemerken, dass Nash mit Amouren hinreichend beschäftigt war.

„Reflections“ist auf drei CDs eine getreue Werkschau, im Booklet anschaulich begleitet mit Fotos aus dem Familienalbum und Kommentaren zu den mehr als 60 Songs. Nashs Erinnerungen sind nicht gerade die Selbstbetrachtungen des Marc Aurel, und neben banalen Auskünften lässt Nash auch gern die Namen von Freunden wie Cameron Crowe, Carol King und Marc Cohn fallen.

Bis Mitte der 70er Jahre waren seine Songs wenig spektakulär, aber doch von berückender Sanftheit und dem Harmoniegesang getragen. Dieselben Musiker, die Platten von Jackson Browne, Gene Clark und Neil Young veredelten, spielten auch bei Nash: Danny Kortchmar, Craig Doerge, Leland Sklar, David Lindley, Russell Kunkel, Tim Drummond. Mit der Einführung des Synthesizers gerieten die Stücke häufig schmalzig, ob mit Crosby oder als Crosby, Stills & Nash.

Die dritte CD enthält überwiegend sentimentale Balladen und schieren Kitsch, aber auch das vorzügliche Gitarren-Epos „Liar’s Nightmare“ mit Jeff Pevar und Nils Lofgren. Der mittlerweile 67-Jährigenahm zuletzt 2004 ein Album mit David Crosby auf. Und ging mit den drei alten Kämpen noch einmal auf Tournee, als Neil Young den Präsidenten absetzen wollte. Die brisante Lage des Landes erinnerte die einst Langhaarigen an ihre glorreiche Zeit. (Rhino)

Arne Willander