Immer Drama um Tamara :: Gemma Arterton, Roger Allam
Regie: Stephen Frears Start: 30.12.
Bis auf wenige Patzer hat der Brite Frears eine Reihe makelloser Meisterwerke geschaffen. Dennoch wurde er nie zum sogenannten Starregisseur. Weil er sich nicht selbst inszeniert, sondern Stoff und Darsteller. Wenn es bei ihm eine Handschrift gibt, dann in der Leichtigkeit und Eleganz, mit der er Dramatik und Dialogwitz verbindet und große Pointen so beiläufig inszeniert, wie es nur Engländer können. Gelungen ist ihm dies auch mit der Verfilmung eines Comics, der sich an Thomas Hardys Roman „Am grünen Rand der Welt“ orientiert. Der neurotische Amerikaner Glen (Bill Camp) plant, eine Biografie über den viktorianischen Gesellschaftsautoren schreiben, leidet aber an einer Schreibblockade. Daher hat er sich in einer ländlichen Pension für Schriftsteller einquartiert, die Nicholas (Roger Allam) und seine fürsorgliche Frau betreiben. Der Hausherr verfasst Bestseller wie Dan Brown, verachtet die Kollegen und hat ständig Affären. Scharf ist er auch auf die junge Journalistin Tamara (Gemma Arterton), die in ihr Heimatdorf zurückkehrt, ihre verkleinerte Nase und Hot Pants vorführt, ihre Jugendliebe verwirrt und einen Rockstar verführt. Zwischen Boulevardstück und Satire, Billy Wilder und Molière erzählt Frears in der frivolen Kabale süffisant, schwung- und stilvoll von Eitelkeit, Kommerz und intellektuellen Marotten.
James Franco, Jon Hamm
Regie: Robert Epstein, Jeffrey Friedman Start: 6.1.
James Franco drängt sich nicht auf. Seit dem Erfolg von „Spider Man“ lief er lange in eher seichten Großproduktionen nebenbei mit. Nun aber zeigt er mit Gespür für die richtigen Stoffe immer mehr auch sein schauspielerisches Können wie zuletzt in Gus Van Sants „Milk“. Jetzt brilliert er als Allen Ginsberg in einer kunstvollen, leidenschaftlichen Hymne auf dessen Gedicht „Howl“, das 1956 einen Skandal auslöste. Die rhythmische Sprache des langen Poems, in dem er sein und das Leben der Beat Generation wiedergibt, galt vielen als obszön. Ginsbergs Verleger wurde verhaftet und angeklagt. Die Regisseure Epstein und Friedman, bekannt für ihre preisgekrönten Dokumentarfilme über die Diskriminierung von Homosexuellen, haben keinen typischen Biografie- oder Gerichtsfilm gedreht. Beschränkt auf zwei, drei Handlungsorte, stellen sie ein Lebensgefühl einer Atmosphäre der Unterdrückung entgegen. Während im Prozess vom Staatsanwalt (David Strathairn) und Experten signifikante Streitfragen über die Freiheit der Kunst und Interpretationen zum literarischen Wert geklärt werden, trägt Ginsberg bei einer Lesung in einem Hinterzimmer erstmals sein Gedicht vor. Illustriert von einem wilden, düsteren Animationsfilm und unterlegt mit Jazz, entfesseln die inbrünstigen Wortkaskaden einen unvergesslichen Sog. Ein elektrisierendes Filmexperiment.
Christina Aguilera, Cher
Regie: Steve Antin Start: 6.1.
Wenn man nur hübsch aussehen, singen und tanzen kann, dann wählt man für seinen ersten Versuch im Schauspielfach einen Film, in dem man nur hübsch aussehen, singen und tanzen muss. Damit auch nichts von Christina Aguileras eigentlichem Job ablenkt, reicht für diesen „Showgirls“-Abklatsch eine peinliche Ansammlung der abgeschmacktesten Klischees. Ali ist eine Kellnerin! Kommt vom Land! Geht nach Hollywood! Glaubt Karriere als Sängerin und Tänzerin machen zu können! Wird abgewiesen! Landet in einem abseitigen Revuetheater! Wird abgewiesen! Die Besitzerin ist pleite! Ein Spekulant will ihr Haus! Mädel wird berühmt, rettet den ganzen Laden und findet im Barkeeper, der auch ein genialer Komponist ist, ihren Mr. Right. Regisseur Antin, Bruder des Gründers der Pussycat Dolls, hat zuvor Musikvideos gedreht, wenig beachtete Drehbücher geschrieben und als Stuntman gearbeitet. Dieser zwei Stunden lange, künstlich beleuchtete und gespielte Musical-Märchen-Clip ist nun sein Höhepunkt, weil er mit Stanley Tucci drehen konnte, obwohl der neben Botox-Zombie Cher auch nur sein charmantes Dienstgesicht in die Kamera hält.
72 Stunden – The Next Three Days ++¿
Russell Crowe, Elizabeth Banks
Regie: Paul Haggis Start: 20.1.
Das Unfassbare kommt am frühen Morgen ohne Warnung. Die Polizei stürmt das Haus von John (Russell Crowe) und verhaftet seine Ehefrau Lara (Elizabeth Banks) wegen Mordes an ihrer Chefin. Der Englischdozent und der kleine Sohn bleiben geschockt zurück. Lara wird verurteilt, Revisionen werden abgewiesen. Daher beschließt John, sie aus dem Gefängnis zu befreien. Der Grundplot weckt üble Erinnerungen an „Gesetz der Rache“. So reißerisch und einfach wie in jenem Action-Thriller macht Haggis sich es hier allerdings nicht. Mit seinem Drehbuch zu „Million Dollar Baby“ und seinem Regiedebüt „L.A. Crash“ hat er bewiesen, wie man komplexe Geschichten wahrhaftig und packend erzählen kann. Bei seinem Remake des französischen Originals „Ohne Schuld“ aber stimmt die Dramaturgie nicht. Der Film zerfällt in zwei Teile, die einzeln einwandfrei inszeniert sind, aber nicht zusammenpassen. Erst schildert er die Erschütterung und Entfremdung der Familie, wie der gutbürgerliche John die Fluchtpläne entwirft, verzweifelt, an Kriminelle gerät. Crowe bemüht sich in der Rolle, die nicht zu seinem kernigen Image passt. Drei Tage vor dem Ausbruch wird das psychologische Drama zu einem rasanten Actionfilm, der die übliche Spannung aus Verfolgungsjagden und Fahndungshektik aufbietet. Wenn am Ende alle gedankenschwer zum Horizont zu blicken scheinen, bleibt nur Pathos.
Romain Duris, Vanessa Paradis
Regie: Pascal Chaumeil Start: 6.1.
Die Geschäftsidee ist pfiffig und im Kinodebüt von Luc Bessons langjährigem Assistenten Chaumeil vor allem lustig. Alex (Romain Duris) bringt Frauen im Auftrag ihrer besorgten Familien dazu, sich in ihn zu verlieben, damit sie ihre widerwärtigen Männer verlassen. Den Job nimmt er allerdings nur an, weil ihn Schulden bei einem Gangster drücken. Juliette (Vanessa Paradis) hat mit ihrem Verlobten Jonathan (Andrew Lincoln) tatsächlich einen Traummann. Etwas langweilig vielleicht. Aber sehr attraktiv, erfolgreich, intelligent und einfühlsam. Alex kann zwar als vermeintlicher Bodyguard ihr Vertrauen erschleichen. Dann sieht man ihm und seinem Team mit einer Verkleidungsexpertin und einem Techniker aber vergnügt beim Scheitern zu. Erst die Situationskomik einer herrlich kitschigen „Dirty Dancing“-Szene scheint die Wende zu bringen. Wortwitz und gelegentlicher Slapstick sind nie zu albern. Selbst die Romantik funktioniert durch die Präsenz des eher schmalen Duris. Ein flapsiger Spaß, wie ihn in den 80er-Jahren Jean-Paul Belmondo gespielt hat.