Incubus – Morning View

Von der Chili Peppers-Kopie zur eigenständigen Rock-Variante

Sie haben es sich gemütlich eingerichtet, die immer noch lange nicht 30-Jährigen von Incubus. Seit zehn Jahren machen sie Musik, sind mit allen erdenklichen Nu- und Old-Metal-Bands der Welt unterwegs gewesen und entspannen sich von den anstrengenden Tourneen dann im Studio. Schon zum zweiten Mal nahm man in einer Villa in Malibu auf, und wieder wurde Scott Litt engagiert, der als Produzent und Streitschlichter jahrelang auch R.E.M. zur Seite stand. Der morgendliche Blick auf den Ozean mag den Albumtitel inspiriert haben, er klingt aber auch auf den Songs durch. Verhältnismäßig sanft geht es da plötzlich zu.

Die Ruhe am Rande von L.A. tat Incubus zweifellos gut. War schon „Make Yourself ein großer Schritt von der einst eher schalen Chili Peppers-Kopie hin zum eigenständigen Rock -, so klingt „Morning View“ noch viel stringenter. Zwar ist gerade die Single „Wish You Were Here“ ein bisschen simpel gestrickt und „Nice To Know You“ knüppelt auch nicht gerade originell, aber meist gelingt es Incubus, den goldenen Mittelweg zu finden zwischen treibenden Melodien mit Geschrei, Bratz-Gitarren oder Trommelwirbel und vielen ruhigen Passagen, in denen Brandon Boyd dann zeigen kann, dass er tatsächlich ein exzellenter Sänger ist. So beginnt etwa ,Just A Phase“ fast klassisch, Boyd jammert – ein wenig an Alice In Chains erinnernd – vor sich hin, bis er ansetzt zu einer Geschichte über eine Frau, die ihn so quält wie Kreidekratzen auf der Schultafel: „It’s just a phase, it will be over soon.“ Genau in dem Moment, da man befürchtet, dass er gleich Nu Metal-obligatorisch losbrüllt, hört er einfach auf und die Band nimmt sich zurück, es wird fast still.

Leider nur beim ersten Mal, danach wird dann doch gedröhnt. Aber nie unter einem gewissen Niveau.

Bei „Mexico“ wird nur ganz leise geklampft und gegeigt, bei „Echo“ fast geschmachtet, in „Have You Ever“ dafür um so rüder für Verständnis plädiert. Ein vielschichtiges Album, das sich nicht um Härte oder Hipness kümmert – und doch in beiden Bereichen weit über dem Durchschnitt liegt. Nice to know you, in der Tat.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates