Jazz

So borniert es wäre, allen betont kultivierten Jazz für konterrevolutionär zu erklären – unter den Veröffentlichungen der letzten Zeit wirken irritierend viele verdammt gediegen. Bei Klaviertrios kann der kammermusikalische Charakter fast schon als Genre-immanent gelten. In diesem Sinne klassisch und nur gelegentlich etwas fade klingt das Blue-Note Debüt des Schweizer Pianisten „THIERRY LANG“. 3,5

Spannender ist schon, was Kollege BRAD MEHLDAU, einst in Joshua Redmans Quartett positiv aufgefallen, ohne jede falsche Bescheidenheit „The Art Of The Trio“ (WEA) betitelt hat. *Wfer den Beades-Song „Blackbird“ mit Gospel-Feeling versetzt, der erinnert unweigerlich an Keith Jarrett. Brad kann es sich ebenso leisten wie eigene Songs zwischen hochbewährten Standards, denen er sich stets auf Mehltau-Wegen (Rodgers & Hart im 5/4-Takt!) nähert. 4,0

Den ganzen eigenen Zugang hat der Franzose LAURENT DE WILDE, zwischen New Yorker und Pariser Klavieren pendelnd, konsequent zum Prinzip erhoben. Zur „unerhörten“ Wirkung von Songs wie „Besame Mucho“ tragen auf „The Back Bumer“ (Sony) bei: Antonio Hart (as) und Eddie Henderson(tp). 4,0

Und wie steht’s um die von CHICK COREA mit dem alten Hasen Roy Haynes und den Junglöwen Redman, Garrett plus Mc-Bride nach intensivstem Quellenstudium angezettelte Hommage „Remembering Bud Powell“ (ACT)? Der (Thelonious) Monk im Chick gibt sich angenehm sperrig und wird zu aller Puristen Freude dem „Charlie Parker des Klavierspiels“ gerecht – im krassen Unterschied zu Leuten, die nicht müde werden, Chicks Musik das Etikett „Scientology“ anzuhängen. 4,0

Fern vom „Dancing With Nature Spirits“ mit Jack Dejohnette oder gar seiner M-Base-Vergangenheit siedelt MICHAEL CAIN sein bislang persönlichstes Album „Circa“ im Reich stilübergreifender ECM-Kammerjazzmusik an. Trotz der ungewöhnlichen Besetzung mit Piano, Trompete/Flügelhorn und Saxophon wirkt das eng verzahnte Spiel der drei hochgradigen Individualisten so – und da haben wir’s wieder gepflegt, daß freche Ausbrüche ä la „Miss M“ positiv auffallen. 4,0 Musikalischer Witz ist eher Trumpf beim ähnlich besetzten MOSCOW ART TRIO. Klavier, Flügelhorn, Klarinette und Stimmen bewiesen im „Hamburg Concert“ (Jaro), daß sich Avantgarde, östliche Folklore und Jazz lustvoll zum Dreier auf offener Bühne vereinen lassen. 4,0

Wer sich den elegischen „Angel Song“ (ECM) von KENNY WHEELER anhört, der wird noch am ehesten von Bill Frisell überrascht. Der Gitarrist fügt sich chamäleongleich und doch stets Frisell bleibend in die gebrochene Romantik der Bläser Wheeler und Lee Konitz ein. Dave Holland ist den Herren Rhythmusgruppe genug, um auf jedes Schlagwerk zu verzichten bei ihrer ebenso dichten wie spröde lyrischen Interaktion. 4,0

Wenn’s als Kontrast endlich kräftig swingen soll, mit Rock- und Bluesanteilen, dann kommt gleich zweifach die Hammond B 3 von DAN WALL in Frage: im eigenen Trio mit Karl Ratzer und Adam Nussbaum mit „Off The Wall“ (ENJA) und – weil sich die fette Orgel nun mal mit der schlanken E-Gitarre bestens versteht im Trio von JOHN ABERCROM-BIE auf „acties“ (EGM). Auch hier sitzt Nussbaum ohne übertriebenes Muskelspiel am Schlagzeug, auch hier werden Vorurteile gegen die „altmodische“ Hammond in Frage gestellt. Beide: 3,5

NILS WOGRAM gelang in Quartettbesetzung mit dem erfahrenen Pianisten Simon Nabotov mehr als nur ein „Round Trip“ (ENJA): lebendige Abstraktion, Schärfe, Präzision und Spaß – Prädikat „weiterführend“. 4,5

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