Jazz von Seckendorff
Nach einem Dutzend CDs aus ebensovielen Jahren gibt es Neues vom KEITH JAR-RETT TRIO gleich im Sechserpack: Jlt The Blue Note“ (ECM) wurden drei aufeinanderfolgende Gub-Konzerte komplett mitgeschnitten. Gelassen und doch inspiriert verwandeln die Herren Jarrett, Peacock und Dejohnette teils neue, teils vom Trio bereits interpretierte Songs in unverkennbare Jarrett-Standards“ – durchsetzt mit einigen Eigenkompositionen der Marke „changeless“. Vor allem eines wird bei diesem Mammut-Unternehmen deutlich: Bei aller beseelten Spontaneität spielt das Trio so lyrisch-abgeklärt, daß es sich um ein Rendevous ohne große Spannungen und Überraschungen handelt – was gelegentliche Ekstase nicht ausschließt, vor allem bei den gospelnahen Vamps, in die Jarrett zum Finale gern einmündet. Beeindruckend, wenn hier selbst 27 Minuten „Autumn Leaves“ ohne gängige Aufpepp-Manöver überzeugen. Aber wann immer sich Keith Jarrett bisher seiner Sache so sicher war, ist er auf Suche nach neuen Herausforderungen gegangen. 3,5 Vor Überraschungen scheint man sicher, wenn Pianist URI CAINE für „Toys“ (JMT) nicht nur auf Songs von Herbie Hancock, sondern oft sogar auf dessen Arrangements zurückgreift. Um so radikalerer geht er mit Hancocks „Dolphin Dance“ um. Gewitztes Zusammenspiel mit Don Byrons Klarinette katapultiert „Cantaloupe Island“ meilenweit aus der Acid-Zone. Vielseitig wie Caines eigene Beiträge kommt auch die Besetzung daher: von Gary Thomas bis zu Don Alias (aufregende Latin-Passagen!), vom Duo bis zum Sextett. 3,5 Irritierend die Wandlungen von MULCREW MILLER: Auf „Getting To Know You“ (NOVUS) lernen wir ihn als Pianisten kennen, dessen Modern Jazz durch Percussion noch an Profil gewinnt. Balladen aber geraten seinem Trio konventionell bis kitschig. 2,5 Derselbe Mr. Miller bewegt sich mit größter Selbstverständlichkeit im Grenzbereich von Jazz und HipHop, wenn GREG OSBY sein „Black Book“ (Blue Note) aufschlägt und mit gerapten „Lyrical Essays“ die eher platten ^-D Lifestyles“ vergessen läßt. Musiker aus dem Umfeld der M-Base haben so was eben immer noch am besten drauf. 2,5 Als Saxophonist wird Osby allerdings locker in die Tasche gesteckt von Englands Vorzeige-Jazzer COURTNEY pine. Für den ist HipHop schlicht eine Möglichkeit, den Jazz durch neue Elemente zu bereichern. Seine „Modern Dayjazz Stories“ (Verve) überzeugen als Fortsetzung später John-Coltrane-Konzepte mit heutigen Mitteln: scratch, noise, & sample. „Don’t Explain“ mit Cassandra Wilson hat das Zeug zum Hit, aber es fehlt auch nicht an kompromißlosen Improvisations-Exzessen. 3,5 Die hat Pine gemeinsam mit einem ebenfalls Coltrane-orientierten Vorbild, bei dem er sich auch den Trompeter Eddie Henderson ausborgte: BILLY HARPER, seit den Siebzigern vom großen Publikum verkannter Tenorsax-Prediger, beweist JLive On Tour In The Far East“ (Steeplechase) auch mit „Vol3″ imponierend langen Atem. Zwischen 20 und 30 Minuten läßt sein Quintett sich Zeit für drei modal gefärbte Hymnen von enormer spiritueller Ausstrahlung. 3,5 Harper beeinflußte auch GARY THOMAS, einen Vertreter des M-Base-Jazz, der nun kompromißlos ernst macht mit dem HipHop: Jlurderln The Ist Degree“ (JMT) geht konsequent vom Rap aus, setzt nicht groß auf Garys SaxophonspieL Ein starkes Stück, das sich jeglicher Bewertung entzieht Aber weihnachtliche Lieder verdienen eine Bewertung – zumindest, wenn die Interpreten Herbie Hancock und Eliane Elias heißen, Dianne Reeves und Chick Corea. Womit auch schon die wichtigsten jener Musiker genannt wären, die bei Jazz To The World“ (EMI) eine gute Figur machen. Das reicht nur für schwache Weihnachtsgefühle.2,0