Jazz von Seckendorff

Vietnam kennt seinen eigenen Blues: Dort hat das Verziehen von Saiten und Tönen lange Tradition. Unter Exilanten herrscht pure Sehnsucht. Der vielgerühmte Gitarrist NGUYEN LE, mit Jimi Hendrix ebenso vertraut wie mit dem Jazz, ist in Paris aufgewachsen. Seine „Tales Front Vietnam“ (ACT) schaffen es, traditionelle Musiker in oft abenteuerliche Konzepte zu integrieren: Sie singen und spielen die Zither wie gewohnt; Jazzmusiker verwandeln sich dem an oder setzen – vor allem bei instrumentalen Titeln – spannende Kontraste, ohne das Fremdartige zuzudecken. 3,5

Nguyen Le nennt sich selbst „eine personifizierte Fusion aller Kulturen“. HANK JONES MEETS CHEICK-TIDIANE SECK dagegen steht für eine ganz und gar überraschende Begegnung: Wie findet ein 77jähriger Pianist, der schon mit Parker und Coltrane, Dizzy und Ella geswingt hat, mit einem jungen Bandleader aus Mali zusammen, der sonst mit Salif Keita oder Mory Kante arbeitet? Der Westafrikaner begleitete Jones back to the roots, auf einem langen Weg zu Mandingo-Balladen, Improvisationen auf Laute und Balafön. Ganz behutsam nur mischt sich da der Pianist ein. „Sarala“ (Gitanes/ Polydor) ist die Verbeugung einer Jazz-Legende vor dem Edino-Pop aus dem Lande seiner Vorfahren. 3,0

Afrika als Quelle der Inspirationen: für HANDY WESTON seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit. Er fand den Geist der Vorfahren vor allem im Norden, bei den marrokanischen Gnawa-Musikern. „Saga“(Gitanes) dürfte auch Jazzpuristen gefallen: die diversen Duos des Pianisten mit Saxophonist Billy Harper (spirituelle Intensität), Drummer Billy Higgins (Monk goes Charleston) und dem wunderbaren Bassisten Alex Blake ebenso wie zwei Solo-Stücke oder die Bläsersätze. Zum Abschluß stellen alle Beteiligten mit „The Gathering“ noch einmal klar, warum „Saga“ den Untertitel „African Rhythms“ trägt. 3,5

Wer darf´s heutzutag noch wagen, „You Give Me Fever“ vorzutragen? SHIRLEY HORN kann sich’s leisten, wenn sie zu einer quasi privaten Session einlädt und ihr Trio dabei um „gute Gäste“ erweitert von Joe Henderson bis Roy Hargrove und Elvin Jones. „The Main Ingredient“ (Verve) ist ihre unwiderstehliche Kombination von sanft erotischem Gesang und locker swingendem Piano. Ob „The Look Of Love“ oder „You Go To My Head“: Wohl den Songs – vor allem den Balladen, die Shirley Hörn zu ihren Favoriten zählt! 3,5

Unter den Pianisten lautet Shirleys Favorit AHMAD JAMAL – eine Ansicht, zu der übrigens kein Geringerer als Miles Davis neigte. Dennoch hat sich nicht so recht herumgesprochen, was nun „The Essence Part 7″(Birdology/Polydor) sehr deutlich macht: Unter den Altmeistern ist er der spannendste, mit ungeheurer Raffinesse in Sachen Dynamik und Rhythmik (gelegentlich unterstützt Percussion sein Trio). „Autumn Leaves“ wird zum Abenteuer mit kubanischem Intro und dem rauhen Sax von George Coleman. Funkund Rockakzente setzt Jamal mit souveräner Eleganz, Drummer Idris Muhammad erweist sich dabei ab genialer Sound-Sucher. 4,0

Baß und Schlagzeug sind ideal besetzt auch im Trio des Saxophonisten CHRISTOPH LAUER: Anthony Cox und der äußerst differenziert spielende Daniel Humair tragen mit dazu bei, daß die Standards auf Jividence“ (CMP) so gar nichts von braver Vergangenheitsbewältigung haben. Kraftvoll pulsierendes freies Spiel und bei aller Spontaneität weite Spannungsbögen sichern diesem „kargen“ Trio lustvolle Aufmerksamkeit 3,5

Edle Einfalt, stille Größe: Originell hätte es enden können, wenn ein als Meister des Funk bekannt gewordener Posaunist zum majestätischen Klang von Kirchenorgeln eher meditiert denn improvisiert „Gotland“ (ACT) von NILS LUNDCREN ist aber doch arg schlicht ausgefallen und insofern eher etwas für den gehobenen New-Age-Geschmack (oder für Geschmäckler). 2,0

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