Jazz von Seckendorff

Eine blonde Kanadierin mit rauchig-dunkler Stimme, die sich selbst am Klavier begleitet und konsequent Nat King Cole verehrt. Wie einst Mr. Cole hat auch DIANA KRALL diesmal einen Gitarristen im Trio und verzichtet aufs Schlagzeug: keine Big Names, sondern eine gut eingespielte Working Band. Aus Nats Repertoire finden sich auf „All For You“{GRP) 13 unbekanntere Songs, die so angenehm trocken swingen, daß diese Hommage nicht nur nostalgische Bedürfnisse befriedigt. 3,5

Nostalgie kommt auch beim Pianisten FRED HERSCH auf. Der widmet „Passion Flower“ (Nonesuch) ganz den Songs von Duke Ellingtons alter ego Billy Strayhorn. Auch hier geht es abgesehen von „Lush Life“ um seltener gespielte Songs meist arrangiert für Solopiano oder ein gelegentlich durch Streicher ergänztes Trio. Fred Hersch, wie stets in der subtilen Tradition von Bill Evans stehend, ist ungewohnt respektvoll an dieses kammermusikalische Projekt herangegangen. 3,5

Mehr Biß hat die ebenfalls hochgradig raffinierte Klavierkultur von ALAN PASQUA, die des öfteren ans ECM-Label denken läßt. Auf „Dedications“ (Postcards/BISS) spielt der lange Jahre nur als erstklassiger Sideman bekannte Pianist mit beiden Brecker-Brüdern und Gary Bartz, Dave Holland und Paul Motian. Wer da einen typischen Star-Termin befürchtet, kann staunen, wie sehr die Pasqua-Kompositionen alle Beteiligten zu einer gemeinsamen Glanzleistung inspiriert haben. 4,0

Und gleich noch ein notorisch Übersehener: Posaunist GLEN FERRIS ist nicht mehr der Jüngste. Aber sein mit Bass und Cello besetztes Trio klingt unverbrauchter als all die karriereträchtigen Berkley-Absolventen der letzten Jahre. Man stelle sich klassisch gebildete Straßenmusikanten von überragendem Niveau vor, tief im Jazz und Blues verwurzelt, erfrischend undogmatisch im Umgang mit ihrem grenzenlosen Einfallsreichtum. Wer so viel Witz und Wärme ausstrahlt, dem kann man zum „Face Lift“ (ENJA) einfach nur gratulieren. 4,0

Sich musikalisch liften zu lassen – BARBARA THOMPSON könnte es vielleicht bewahren vor längst zur Maske erstarrten Klischees. Weil „Lady Saxophone“ (veraBra) lauter Balladen vereint, ist die britische Romantikerin ganz in ihrem Element, einer Fusion der klebrigen Sorte. 2,0

Daß man als Saxophonist „Why Not“ (Acoustic Music) – auf Melodien mit Popqualität setzen und trotzdem alle Peinlichkeiten umgehen kann, daß folglich freundlich noch lange nicht fad bedeuten muß, beweist ein Quartett aus Berlin: VOLKER SCHLOTT hat Humor – und außerdem Mitmusiker, die auf von vielen Kulturen vorgeprägten Pfaden durch vertrautes Gelände zu pirschen verstehen. 3,0

In aller Unschuld seinen Spaß haben wollte wohl auch der Saxophonist MICHAEL HORNSTEIN. Weil der Münchner aber kein Mann der platten Gefälligkeits-Gesten ist, klingt „Lucy, The Cat“ nicht nur belustigend, sondern auch angenehm schräg. Der Titelsong „Innocent Green“ (ENJA) dagegen erinnert an langsamen Gospelfunk des Jarrett-Quartetts, wozu Pianist Roberto di Gioia, Drummer Billy Hart und Bassist Gary Peacock entscheidend beitragen. 3,0

Eine weniger glückliche Rolle spielt di Gioia in der Rhythmusgruppe für die Geiger HAJO HOFFMANN und JÖRG WIDMOSER. Schlagzeug und Baß sind mit Wolfgang Haffner und Thomas Stabenow zwar kompetent besetzt, aber die meisten Standards klingen nur während des Intros interessant bis „A Touch Of Jazz Violins“ (RCA) in bieder phrasierten Swing nach Altväter-Art übergeht. 2,5

Die nervendste Fusion-Geige seit Jahren wird in Michigan, USA gefiedelt: Schwer zu sagen, was bei „Thinking About You“ (GRP) am schlimmsten ist: die dumpfen Drum-Programme, die schwülstigen Keyboard-Sounds – oder die letzte Nummer, mit der JERALD DAEMYON beweist, daß er sich vorher mutwillig dumm gestellt hat. 1,0

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