John Cale – Hamburg, Markthalle

Der Mann haut das Klavier mit den Pranken. Aber diesmal sitzt er nicht am Piano, meistens hat er eine elektrische Gitarre umgeschnallt, nur manchmal greift er ins Keyboard. John Cale sieht aus wie Bruce Springsteen als walisischer Neurotiker (oder wie ein wahnsinniger Bergarbeiter), und er gibt ein Rock-Konzert. Künstler und Berserker, das ist bei Cale schon immer die glücklichste, die logischste Vermählung gewesen.

Zunächst wechseln die romantischen Klassiker (kein „Paris 1919“ diesmal) mit den etwas länglichen, etwas leichten Songs von „Walking On Locusts“ (sehr schön aber: „So Much For Love“), und Cale wechselt immer mal wieder ans Keyboard. Ganz allmählich verwandelt sich der knorrige, der strenge „Dying On The Vine“ zerhackt! Unglaublich, welche Wendung das düster zuckende „Modern Beirut Recital“ nimmt! Daß selbst „Guts“ und „Dirty Ass Rock ’n‘ Roll“ wie eben (von Lou Reed) erdacht klingen! Tanzen! Und dann „Pablo Picasso“ von Jonathan Richmans Modern Lovers! Und John Cale ist 54. Nebenan lärmen übrigens Steppenwolf (featuring Joachim F. Krauledat).

Die Halle tobt also, die ältlichen Ehepaare am Rand denken noch einmal an Paris 1973, und ungerührt ist allein Cale selbst, der ganz lange trampeln und klatschen und pfeifen läßt, für zwei – natürlich zu kurze, aber begeisternde -Zugaben zurückkehrt und das Publikum dann entläßt, weil es ja am nächsten Morgen früh aufstehen muß. Ist bloß ein Samstag. Daß hier manches nach dem sogenannten Wave der 80er Jahre klang, John Cale also seinen eigenen Epigonen folgte – was kümmert es den Erfinder?

Es war mal wieder nichts als der Rock’n’Roll – aber nie fühlten wir uns lebendiger.

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