JOHN MARTYN – The Church With One Bell :: INDEPENDIENTE/SONY

Sein Lebenswerk ist ein Patchwork aus Folk, Jazz, Blues, Reggae & Dub, Rock & Soul, nichts davon ausschließlich, nicht einmal über zwei, drei Alben hinweg. John Martyn einen Eklektiker zu nennen, wäre ein Understatement Doch was von außen wie ein Sammelsurium von Stilen anmutet, entpuppt sich in seiner Binnenstruktur als ein Stilgeflecht Der Mann hat eine Philosophie, die nicht besonders originell ist, ihn aber als wahren Musiker ausweist (im Gegensatz zum Instrumentalisten): anything goes. Fusion ist für Martyn ebensowenig Fremdwort wie Schimpfwort Und er praktiziert diese Sekundärtugend mit stoischer Gelassenheit, ob er nun mit Lee Perry in Sachen Dub arbeitet oder mit Steve Winwood in Sachen Pop.

„The Church With One Bell“ indes beschäftigt sich kaum mit Musik an und für sich. Nicht zuletzt deshalb, weil Martyn hier nur Fremdkompositonen singt, sondern zuvorderst als Sänger agiert Mit durchaus hörenswerten Resultaten. Das ist um so erstaunlicher, als er bisher nicht gerade als begnadeter Vokalist aufgefallen wäre. Martyn ist kein Robert Wyatt oder Van Morrison, eher ein Kevin Ayers oder Kevin Coyne, will sagen: adäquat, nicht genial. Dem Material untertan, es nie transzendierend. Auch das will freilich gelernt sein, und John Martyn ist im Laufe der Jahre immer besser geworden in dieser Kunst der Interpretation.

Die Kirche mit der einen Glocke gibt es wirklich. Martyn bekam Wind davon, daß sie zum Verkauf steht und wollte sie erwerben. Hat keinen religiösen Hintergrund, der Mann ist Buddhist In Ermangelung des nötigen Kleingelds wandte er sich an seine Plattenfirma, die sich christlich erbot, ihm das Gotteshaus zu schenken, wenn er dafür ein Album mit Coverversionen aufnehmen würde. Man schickte ihm ein Band mit 25 Songvorschlägen. Martyn lauschte, selektierte, ging mit zehn davon ins Studio, und voila. Piece of cake.

Die Auswahl erstaunt, zwingend ist sie nicht: Bobby Charles, Elmore James und Lightnin‘ Hopkins heißen die Quellen, auch Dead Can Dance und Pottishead. Heiser und schleppend intoniert Martyn diese Songs, respektvoll, aber fast beiläufig. Das Backing ist unaufdringlich bis zur Anonymität. Ein guter Song braucht kein Brimborium. „God’s Song“ von Randy Newman etwa. Gott als Sadist, voller Verachtung für die Menschheit. Martyn singt lakonisch, gönnt sich und uns am Ende ein gehässiges Lachen. Die Kirche hat er sich verdient.

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