John Prine – Souvenirs
John Prine verstörte mit seiner ersten, nach ihm selbst benannten LP. Seine Songs waren sardonisch und sentimental, sarkastisch und lakonisch. Er schien sie zu verhöhnen, die Helden seiner Geschichten, wiewohl sie doch Verlierer waren und mit ihrem Latein am Ende. Doch Prine denunzierte nie. Während Randy Newman aus der Distanz Säure spritzte auf menschliche Monstrositäten, beließ Prine die Protagonisten seiner Songs in ihrer Unscheinbarkeit, benannte ihre Unzulänglichkeiten, um schließlich Solidarität für sie einzuklagen. „Twenty-four years old and writes like he’s two-hundred and twenty“, schrieb Kris Kristofferson über den jungen Freund zu John Prine“.
Alt, siech oder von der Welt vergessen waren Prines Charaktere. Er sezierte sie, aber mit Sympathie. Er klärte über ihr Schicksal auf, verklärte nie. Kein Schmus, wenig Romantik. „Every junkie’s like a setting sun“, trauerte Neil Young. Prine schaute genauer hin, erkannte, wie Suchtopfer wiederum Opfer produzieren, unschuldige zudem: „There’s a hole in daddy’s arm where all the money goes.“
Das überzeugendste Debüt-Album eines Songschreibers aller Zeiten, nicht weniger. Und vergessen wir nicht, dass es 1971 nur so wimmelte von begabten Anwärtern auf Dylans Thron, der ja vakant schien in den Jahren zwischen „Nashville Skyline“ und „Blood On The Tracks“. Bob steckte im kreativen Tief, und Prine entschädigte dafür,
auch wenn sich später herausstellen sollte, dass er die Essenz seiner Kunst auf dieser ersten LP konzentriert und konserviert hatte und dass ihm hernach nurmehr Substrate davon gelangen. Was im Übrigen auch für Kris Kristofferson gilt, der an seine Linernotes folgendes PS hängte: „Thanks to the people at Atlantic for making good things happen fast to someone who deserves it.“
30 Jahre später, hübsche Ironie, ist es just jener Atlantic-Deal sowie ein späterer mit Asylum, der uns „Souremrs“ beschert. Prine hatte sich Anfang der Achtziger von den Majors abgenabelt und für sich und den Nachlass seines 1984 gestorbenen Kumpels Steve Goodman ein eigenes Label gegründet: Oh Boy Records. Eine Firma, die florierte. Erst recht nach 1992, als Prine mit „The Missing Years“ ein so gefälliges wie erfolgreiches „Comeback“-Album glückte. Seither wurmt es ihn, dass er seine alten Klassiker zwar live performieren darf, dass die Master-Aufnahmen aber immer noch und bis auf weiteres in fremder Hand sind. Prine beschloss, den Repo-Man zu machen und sich seine Geschöpfe qua Neufassung wieder anzueignen.
Das mag diskutabel sein, doch fällt die Bewertung von „Souvenirs“ dennoch leicht. „These songs are beautiful“, konstatiert Prine auf dem Cover, vornehm untertreibend. Auch die vom alten Haudegen und Weggenossen Jim Rooney co-produzierten neuen Versionen sind alles andere als ehrenrührig. Abgeklärter als die Originale sind sie natürlich, geschmackvoll arrangiert, milde und mellow gesungen. Es ist, als träfe man Bekannte von damals, mit denen man in Erinnerungen schwelgt, an denen das Leben aber nicht spurlos vorbeiging. Ein wenig abgekämpft wirken sie, Flausen verloren, Falten verdient Kritikabel immerhin ist die Selektion. Juwelen wie „Illegal Smile“ und Prines höchskarätiges „Paradise“ fehlen, dafür wird mit „Fish And Whistle“ ein ziemlich fader Irish Stew aufgetischt, und „People Puttin‘ People Down“ findet sich bereits auf „Aimless Love“, Prines erster LP in Oh-Boy-Eigenregie, fällt also nicht unter das Repo-Prinzip. Ungereimtheiten, mehr nicht.