Juliana Hatfield
„Lightning Might Strike“
American Laundromat (VÖ: 12.12.)
Die Power-Pop-Veteranin mit abgeklärten Songs.
1993 machte Juliana Hatfield mit „Become What You Are“ ein Album, das Alternative und College-Rock, Grunge und Power-Pop mit einer weiblichen Sensibilität verband. So wegweisend war die Musik der Sängerin und Songschreiberin aus Boston, dass sich heute Künstlerinnen wie Soccer Mommy, Snail Mail und Phoebe Bridgers auf sie berufen. In den letzten Jahren veröffentlichte Hatfield regelmäßig eigenes Material, aber auch Coveralben mit Songs von Olivia Newton-John, The Police und ELO.
Hatfield hat als Songschreiberin und Arrangeurin eine enorme Souveränität
„Lightning Might Strike“ zeichnet eine schwierige Phase in Hatfields Leben nach. Die Songschreiberin verlor einen ihrer besten Freunde („Ashes“), dann ihren Hund („Constant Companion“). Danach wurde bei ihrer Mutter eine schwere Krankheit diagnostiziert („Scratchers“). Gleich mehrere Songs dokumentieren die dunkle Nacht der Seele, zum Beispiel „Long Slow Nervous Breakdown“, in dem die Verzweiflung kaum kaschiert unter der Oberfläche brodelt. Insgesamt verhandelt sie die Frage, ob es so etwas wie Schicksal gibt und wie die Summe der eigenen Entscheidungen zu einer (vor-)bestimmten Biografie werden. In einem besonders bitteren Lied vergleicht Hatfield ihr Leben mit einem Eis am Stiel, das ihr zwischen den Fingern wegschmilzt („Popsicle“).
Genauso gehört zu diesem Werk aber, dass es bei allen inneren Kämpfen eben die Musik ist, mit der sich die Künstlerin am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Man spürt die Sozialisation in Bostons Punk-und College-Rock, doch der Ton bleibt abgeklärt, nüchtern. Daraus entsteht ein sehr stringenter Power-Pop-Sound mit trocken-kantigen Gitarren und geschmackssicheren mehrstimmigen Gesängen. Hatfield hat als Songschreiberin und Arrangeurin eine enorme Souveränität – auch auf diesem, ihrem 21. Album.
Diese Review erscheint im Rolling Stone Magazin 1/2026.