k.d. lang :: „Recollection“

In ihren Anmerkungen zu „Camp“ definierte Susan Sontag dieses Phänomen so: „Camp-Kunst ist häufig dekorative Kunst, die die Struktur, die von den Sinnen wahrgenommene Oberfläche, den Stil auf Kosten des Inhalts betont.“ Was sehr treffend die frühen Country-Platten von k. d. lang beschreibt. Einige waren zwar von Dave Edmunds und Country-Urgestein Owen Bradley produziert; ein ganzes Album lang bekannte sie sich gar zu Patsy Cline. Trotzdem waren das im Grunde immer Stilübungen. Wo ein Lyle Lovett etwa Country Music im Geiste der besten Altvorderen dieser Gattung spielte, schlüpfte k.d. lang in Rollen. Mit ihrer reflektierten Position gehörte sie nie zu den „neuen Tradi-tionalisten“ des Genres. Weshalb sie in den frühen 90er-Jahren dann ja auch radikal das Fach wechselte. „Reintarnation“ war 2006 die Retrospektive dieser frühen Jahre, bei der sie in den Liner Notes von „performance art“ sprach. Aber das sind die Pop-Ohrwürmer von „Ingénue“ wie „Miss Chatelaine“ oder „Constant Craving“ dann eigentlich auch wieder. Der Sticker auf der neuen Sammlung, „Recollection“, war vermutlich eine Idee der Marketing-Abteilung. Um „the best of k. d. lang & more“ handelt es sich hier mitnichten. Die angepriesene Best-Of-Nachlese ist „Recollection“ schon deswegen nicht, weil das Frühwerk hier praktisch komplett ausgeblendet wird. Was nicht heißt, dass die hier praktizierte Form der Werkschau ein krasser Fall von Beutelschneiderei wäre, im Gegenteil: Bestens bedient fühlen darf sich hier sogar am ehesten der Fan, der die Originalplatten schon alle besitzt. Der erhält hier auf der ersten CD elf ihrer populären Ohrwürmer, also „Trail Of Broken Hearts“ und das gegenüber Chris Isaaks Original noch mal stilisiertere „Western Stars“. Die bekannten Interpretationen von Leonard Cohens „Hallelujah“ und Neil Youngs „Helpless“ werden erfreulich unmanieriert vorgetragen. „The Air That I Breathe“ offenbar in Kenntnis der wunderbaren Deutung der Everly Brothers durchaus ehrgeizig mit viel Schmelz und ohne Schmalz gesungen, schön im Duett mit sich selber beim Refrain. Auf der zweiten CD findet man das berühmte „Crying“, torch songs wie „Love For Sale“, eine Interpretation von „Help Me“. Eine große Version von „Calling All Angels“ im Duett mit Jane Siberry und „Moonglow“ mit Tony Bennett als Duett-Partner. Des weiteren das aus dem Soundtrack von „Salmonberries“ stammende „Barefooot“ und Cole Porters „So In Love“, sehr stilvoll gesungen. Und eine neue Einspielung von „Hallelujah“. Die Studio-Aufnahmen auf der dritten CD sind der Stoff, den Sammler schätzen, darunter der Hoagy Carmichael/Johnny Mercer-Evergreen „Skylark“. Ihre ganze Klasse demonstriert sie bei den folgenden Mitschnitten eines Benefiz-Konzerts. Die Videos auf der DVD machen die Box endgültig zum sprichwörtlichen offer you can‘t refuse. Jedenfalls für all ihre Bewunderer. (Nonesuch / Warner)

Franz Schöler

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