Lenny Kravitz

Mama Said (Deluxe Edition)

Das zweite Album des Eklektikers, großzügig erweitert

Es war die große Stunde des Lenny Kravitz. Sein Flower-Power-Lennon-Redding-Love-Debüt „Let Love Rule“ hatte 1989 mit all seinem Hippie-Charme schon Europa verzaubert, bei „Mama Said“ war dann zwei Jahre später die ganze Welt dabei. Die Retro-Verliebtheit, die heute den Großteil der Popmusik erfasst hat, war damals fast noch ein Alleinstellungsmerkmal – und Kravitz nutzte das ungeniert aus. Es war auch der letzte Moment, in dem er es noch nicht mit der eitlen Arroganz tat, die seine künftigen Alben und Auftritte unerträglich werden ließ.

Für „Always On The Run“ holte er sich als Co-Songwriter und Gitarristen den einzigen Halb-Afroamerikaner, der gerade noch berühmter war als Kravitz selbst. Man muss heute noch lächeln, wenn der Sänger so stolz dessen Solo ankündigt: „Slash!“ Der Hit zeigt auch immer noch, wie herrlich Kravitz damals sang, röhrte und kreischte. Die Balladen „Stand By My Woman“ und „It Ain’t Over Til It’s Over“ waren Tränenzieher sondersgleichen, und Kravitz produzierte sich selbst den perfekten Sound zu seiner kräftigen Stimme: wuchtig, mit ordentlich Bläsern und anderem Brimborium, aber doch nicht zu aufdringlich.

Dass es demnächst schon peinlich pompös werden würde, deutet sich erst in der Rückschau an: Die Familienschnulze „Flowers For Zoe“ hätte er sich sparen können, auch das mit Sean Lennon geschriebene „All I Ever Wanted“ hört sich eher nach Standard als Inspiration an.

Aber auf dem Doppelalbum zum 21. (!) Jubiläum gibt es ja noch 21 zusätzliche Lieder: diverse B-Seiten, Instrumentals und bekannte Live-Tracks, aber auch fünf Aufnahmen von einem Konzert in Rotterdam, die mal zu einer EP werden sollten, dann aber nie erschienen sind. Man kann noch einmal die Kraft hören, die Kravitz damals auf der Bühne hatte (wenn man sich nicht an gelegentlichen Angebereien stört). Die meisten Bonusstücke sind bisher nicht veröffentlicht worden, darunter Demo-Versionen von „It Ain’t Over …“ oder „What The … Are We Saying“ und das schwer groovende „Riding On The Wings Of My Lord“.

Wenig später fragte Lenny Kravitz „Are You Gonna Go My Way“, entledigte sich der letzten Reste von Naivität und bog Richtung Schweinerock ab.