Linda Thompson – Give Me A Sad Song
Begnadet mit einer der wunderbarsten Folk-Stimmen Englands, entwickelte Linda Thompson nach ihrer ersten und bislang einzigen Solo-LP (der immer noch nicht auf CD wiederveröffentlichten „One Clear Moment“ von 1985) eine noch größere Studio-Phobie (sie behauptet: Klaustrophobie) als zuvor die Kollegin Anne Briggs. Was für ein Verlust das war, machte vor fünf Jahren noch einmal die von Edward Haber handverlesene „Best OP-Retrospektive „Dreams Fly Away“ deutlich. Die enthält (nach wie vor lieferbar!) einige ihrer größten Aufnahmen wie „Dimming Of The Day“, „Walking On A Wire“ und „Blackwaterside“ in alternativen und zuvor teils unveröffentlichten Versionen. Die Tatsache, dass die meisten Aufnahmen von „Give Me A Sad Song“ überhaupt noch nie veröffentlicht wurden, diese Kollektion unterm Strich aber kaum schwächer ist, unterstreicht ihre überragende Sangeskunst nur umso mehr.
Lucinda Williams‚ „Abandoned“ singt sie so herzzerreißend wie die vier Jahre später auf ihrer dritten LP. Von den fünf Demos des Jahres 1970, die sie mit Martin Carthy aufnahm, bis hin zu den süperben, 1984 mit Betsy Cook eingespielten von Songs wie „Her Father Was A Sailor“, „Hell, Highwater 8C Heartache“ und dem Titelsong ist das alles der Stoff, aus dem Sammlerträume sind. Sie liebe Männer wie John Prine, die Entwurzelte, Melancholiker und Treulose (vielleicht meint sie mit faithless aber auch Ungläubige?) seien und an Depressionen leiden, erklärt sie in den Liner Notes. Dessen „Aimless Love“ nahm sie deswegen in kongenialer Interpretation auf. Das ist – ein Demo und letzter der 17 Songs – nur zum Heulen schön. Ihre frühe Aufnahme von Leonard Cohens „Story Of Isaac“ ist dagegen nichts, was man selbstmordgefahrdeten Zeitgenossen vorspielen sollte. Im Vergleich dazu haben selbst düstere Ingmar-Bergman-Werke wie „Das siebte Siegel“ irgendwie etwas Tröstliches.