Little Annie & Paul Wallfisch – When Good Things Happen To Bad Pianos :: Ausnahmsweise originelle, bittersüße Coverversionen ohne Kitsch

Es gibt eindeutig zu viele Alben mit Coverversionen. Das meisten ergehen sich im Kunsthandwerk oder richten sich an Spätgeborene, die im Idealfall gar nicht merken, dass man ihnen gerade ein paar alte Buletten schlecht aufwärmt. Mit „When Good Things Happen To Bad Pianos“ ist das etwas anderes. Little Annie Anxiety Bandez ist seit den späten Siebzigern eine Ikone des New Yorker Underground, ein gutes Jahrzehnt hat sie allerdings auch in London zugebracht. Wir zählen jetzt einfach mal ein paar Namen auf, von Künstlern, mit denen sie zusammengearbeitet hat: Crass, Coil, Current 93, Nurse With Wound, Kid Congo Powers, Woltgang Press, Paul Oakenfold. Auf Adrian Sherwoods On-U-Sound Label erschienen so wichtige Veröffentlichungen wie „JacMpmo“. Annies letztes Album, „Songs From The Coalmine Canary“ wurde produziert von Antony Hagerty, ihr nächstes (das bereits fertig zu sein scheint) von dem Berliner Electro-Rocker Can Oral aka Khan.

Auf einer „Extravaganza“ von Khan im letzten Jahr präsentierten Little Annie und der Pianist Paul Wallfisch, auch zum ersten Mal einige Songs von „When Good Things Happen To Bad Pianos“. Tina Turners „Private Dancer“ war zunächst ein dezenter Schock: Ausgerechnet dieses Hass-Stück! Begleitet von einem sehr dramatischen Cabaret-Piano. Erst nimmt man’s ironisch,denkt: kleiner Witz. Doch die auch mit sehr hochhackigen Schuhen noch sehr kleine Annie meint es ernst. Die Rolle der Künstlerin an sich wird hier verhandelt, das Sich-Verkaufen und die Tragik, die darin liegt. Klar, es ist derselbe Text, den auch Tina Turner gesungen hat, aber Annie macht ihn irgendwie zu ihrer eigenen Geschichte.

Noch gelungener ist „It Was A Very Good Year“, einer der besten Frank-Sinatra-Songs überhaupt. Wie viel bittere Süße Hegt in Annies Stimme, wenn sie die Jungs und Männer ihres Lebens Revue passieren lässt, bis eine verzerrte E-Gitarre auch die Ängste des Alterns anklingen lässt und die Pianoakkorde schwer und langsam werden.

„Song For You“ ist ebenfalls so wunderbar gesättigt von der Persönlichkeit dieser Frau, die in solchen Momenten wie die ganz großen Torch-Sängerinnen klingt – tragisch und auf eine verwundbare Weise schön. Da will man gar nicht glauben, dass „Strange Love“, ein Song des letzten Albums, eine Levi’s’Kampagne untermalt hat. Immerhin gab es dafür in Cannes einen Preis für „Best Use Of Music In Advertising“.

Doch hört man dann die Verlorenheit von Annies Stimme in Jacques Breis „If You Go Away“, denkt man sofort an kalte, leere Räume, und nie ist Kitsch dabei oder hohles Pathos. Immer nur die wunderbare Hingabe an ein Gefühl, das keinem unbekannt ist, das aber nur wenige so intensiv darstellen und interpretieren können.

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