Love – Forever Changes :: Umfassende Ausgabe des großen Klassikers von 1967
Eine exemplarische Edition und eine vorbildliche dazu: Wenn irgendwann auch mal „Beggars Banquet“, „Set. Pepper“
oder „Blood On The Tracks“ in dieser Form veröffentlicht würden, wäre das ein Grund, das gemästete Kalb zu schlachten und ein Fest zu feiern. Denn dann hörte man auf diesen Platten, was man nie zu hören hoffen wagte: ausgewählt die besten Demos und Probe-Sessions, die Outtakes, die Alternativ-Mixes und all jene seinerzeit (leider oder rechtens) verworfenen Songs und Aufnahmen, die es nie auf die LP schafften. Was die viel gerühmte dritte LP von Love angeht, hatte Rhino die erstmals komplett 1995 wieder remastered verteilt auf die zwei CDs der Anthologie „Love Story iq66 ¿ 1972“ veröffentlicht. Schon wieder neu überspielt, erschien „Forever Changes“ dann 2001 mit sieben Zugaben, zwei vorher nur mal im Juni 1968 auf einer Single veröffentlichte Songs, tünt Autnahmen vormals unveröffentlicht. Diese Single („Your Mind And We Belong Together“, eine brillante Übung in Sachen Folkrock-Psychedelik und ein richtiger Ohrwurm, gekoppelt mit „Laughing Stock“) hatten Band und Plattenfirma nachgelegt, um all jene Kritiker zu widerlegen, die ursprünglich lauwarm und leicht ratlos auf „Forever Changes“ reagierten. Der Frust darüber bei Arthur Lee und seinen Mannen war eine Sache, der Arger darüber, dass Elektra für die PR in Sachen Doors weit mehr Geld in die Hand nahm, eine andere. Aber letztlich war es nichts anderes als der übliche exzessive Drogenkonsum, der diese Besetzung der Band im Lauf der folgenden Tournee de facto sehr rasch zerstörte.
Der war offenbar so exzessiv, dass Arthur Lee damals anscheinend schon jede Erinnerung daran aus dem Register schob, dass man von dem ganzen Album einen kompletten Alternativ-Mix produziert hatte. Die Existenz eines solchen dementierte er jahrzehntelang vehement. Aber jetzt ist er hier, nachdem zwei alternative Mixes schon auf der Remaster-Edition Anfang 2001 aufgetaucht waren. Im Fall von „Alone Again Or“ handelte es sich dort allerdings um einen — um knapp eine halbe Minute von Bruce Botnick gekürzten — Mono-Mix für eine nur an Journaille und Sender verteilte Promo-Single. Aber „You Set The Scene“ übernahm man von demselben damals offenbar wiedergefundenen Band mit den Alternativ-Abmischungen!
Für das hatte sich Botnick tatsächlich von einigen ganz anderen Ideen inspirieren lassen. Bei „Alone Again Or“ etwa war die Stimme des Sängers über die beiden Stereo-Kanäle double-tracked verteilt, also anders, als John Lennon das praktiziert wissen wollte. Die bekannte Version zeichnete sich durch teils fast absurd extreme Ping-Pong-Stereo-Effekte aus, noch radikalere als etwa bei „Rubber Soul“ oder frühen Doors. Beim Alternativ-Mix waren die entschieden zurückgenommen, so dass der tatsächlich „moderner“ klingt. Die über beide Kanäle öfter verteilten Akustikgitarren, Bass und Schlagzeug jetzt mittig, die nicht so extreme Positionierung von Instrumenten ganz links oder rechts außen und die bessere Präsenz des Sängers lassen bisweilen den Verdacht aufkommen, dass es sich hier um einen klammheimlichen Remix vom Multitrack handeln könnte. „Live And Let Live“ etwa ist ein so viel besserer Mix als der auch vom 2001 erschienenen Remaster bekannte, dass man ins Grübeln kommt und fragen darf, wieso man bei Elektra nicht für den, sondern den anderen optierte.
Fairerweise muss man aber auch anmerken, dass die bekannte Abmischung einiges mehr von dem Live-im-Studio-Feeling damals vermittelt — manche Iniperfektionen und nicht unbedingt optimale Aussteuerungen inklusive. So satt klingen Bass und das Cello beim Alternativ-Mix von „You Set The Scene“ halt nicht. Das fällt auch sofort auf, wenn man danach als erste Zugabe „Wonder People (I Do Wonder)“ im Original-Mix hört. Das ist nämlich nicht die Version, die von dem Outtake auf der CD von 2001 erschien! Beim „Hummingbirds“-Instrumental wiederum handelt es sich um dasselbe hübsche von dort bekannte Demo. Der backing track von „The Red Telephone“ dokumentiert, dass die Band das Studio nicht als drogenfreie Zone betrachtete: Er geht bruchlos in eine kurze improvisierte Session von „Wooly Bully“ über, die man bestens absolvierte.
Übernommen wurden alle Bonus-Tracks der Edition von 2001. Die Liner Notes von Ben Edmonds nicht. Die vermittelten dann doch ein paar profundere Einsichten in Arbeit und Rang der Band und insbesondere dieser LP als die neuen von Andrew Sandoval. Einige neue Informationen – etwa, dass Elektra-Boss Jac Holzman am Ende höchstpersönlich ein neues Sequencing anordnete, was Lee so toll nicht fand – bieten die aber auch.