Love Is Hell, Pt. 1 & 2 :: Lost Highway

Naturgemäß hat niemand geglaubt, aus Ryan sei nun tatsächlich Bryan geworden, der genialische Jungspund könnte nach den Fingerübungen auf „Demolition“ und den Brüllern von „Rock N Roll“ zum Stadionhelden und Karikaturrocker mutiert sein. Der Mann, der mit jedem Ton von „Heartbreaker“ und einigen Stücken von „Gold“ zur edelsten Ahnengalerie aufgeschlossen hatte, verwirrt nur mit einem Spiel: „Rock N Roll“ sei die eigentliche, die offizielle neue Platte, die beiden so genannten EPs werden so nebenbei veröffendicht. Ein kapitaler, wahrhaft königlicher Witz. Schon die ersten üppigen, getupften Wehmutstöne des merkwürdigen „Political Scientist“ signalisieren die Rückkehr des introspektiven, abgründig schwarzgalligen, existenziell angekränkelten Songschreibers deluxe. „The government supplies the cocaine“, wispert er in der Rätselgeschichte. Noch inniger, noch fürchterlicher wird es in der Piano-Ballade „Afraid Not Scared“: „I’m getting really cold and I’m looking at you/ And you’re not moving.“ Bei „This House Is Not For Säle“ hat Adams die Stimme zu gleichen Teilen bei Bono und bei Paul Westerberg angeschlossen, die Gitarren tönen satt. Sie tanzten über den hölzernen Boden, sie wältzen sich im Schlafzimmer, sie hielten sich umschlungen. „Love Is Hell“ ist doch wieder ein wenig Bryan Adams, hätte gerade noch auf „Rock N Roll“ gepasst, so heiser bellt Adams mit seiner „New York Band“, die hier einen Teil der Stücke verantwortet.

Die subtile Picking-Version von „Wonderwall“ stammt von der „New Orleans Band“ mit Greg Leisz an der Gitarre. Etwas jammernd und manieriert im Songwriter-Stil vorgetragen. Das unheimliche, sehnsuchtsvoll gebarmte Piano-Stück „The Shadowlands“ ist mit düsterer Poesie fast springsteenesk, die Coda einer dieser traumverlorenen, wortlosen, vollkommen magischen Momente, die Ryan Adams gelingen wie keinem anderen Musiker. Die sich schraubende, am Ende dramatische Hymne „World War 24“! Das einfache und bezwingend melodische „Avalanche“. Und die angeblichen „Bonus Tracks“, „Caterwaul“ und „Halloween“, wie nebenbei gespielt, kündigen noch Größeres an. Die Songs von „Love Is Hell Pt. 2“ nämlich. Sieben Stücke lagen vor, als die Druckmaschine angeworfen wurde, und wie ungern formuliere ich Abschließendes zu diesen betörenden Skizzen der Sehnsucht, in denen die Erotik in eins fällt mit der Liebe zur Stadt, zur Topografie. „My Blue Manhattan“ ist eine intensiv zerstreute Hommage an die Stadt, „Liebeserklärung“ heißt es ja bei Reisejournalisten. Aber Adams‘ Affare mit New York ist eine beinahe gewalttätige, die sich in den beschwörendsten Songs seit Springsteens „New York City Serenade“ auflöst: „City Rain, City Streets“, auch „Hotel Chelsea Nights“.

Die Geister von Leonard Cohen, von Paul Simon, Lloyd Cole, Jeff Buckley, Steely Dan spuken durch solche zeitlupenhaften Lieder, doch hat Adams ihnen seine eigene Stimme gegeben, die Stimme des Soul in dem erschütternden „Please Don’t Let Me Go“, einer Paradoxie der Liebe, in dem sanften Albtraum „I See Monsters“, in dem Abschiedsstück „Thank You Louise“, in „English Girls Can Be So Mean“. Alles ist von beinahe weihnachtlicher Transzendenz und Melancholie. Die undeutliche, fiebrige Sprache des Herzschmerzes.

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