Magnetic Fields :: Love At The Bottom Of The Sea
Stephin Merritt sucht in der Disco-Hölle immer noch die Liebe.
Vor zwei Jahren erschien „Strange Powers“, eine Dokumentation über Stephin Merritt, in der der Magnetic-Fields-Liedkünstler unter anderem Auskunft über seine Arbeitsbedingungen gibt. Die meisten seiner Songs schreibe er in dunklen Schwulenbars, während er der wummernden Discomusik lausche, sagt er. In seinen mit Geschlechterrollen spielenden Texten konnte man diese Umgebung durchaus manchmal heraushören, musikalisch setzte der Irving-Berlin-Fan dem allerdings im letzten Jahrzehnt geradezu klassische Kompositionen und Arrangements entgegen. Auf den letzten drei Alben der Magnetic Fields verzichtete er gar ganz auf Synthesizer und anderes Glamour und Camp verheißendes Beiwerk. Natürlich folgt auf diese No-Synth-Trilogie nun ein Album aus synthetisierten Sounds.
Gleich das erste Stück auf „Love At The Bottom Of The Sea“ scheint genau die Musik zu spiegeln, der Merritt sich beim Komponieren gerne aussetzt. Es pulsiert und pumpt und schillert und Shirley Simms singt von Rachefantasien unter Crystal-Meth-Einfluss.
Für den Misanthropen Merritt scheint das urbane Nachtleben eine mit unerfülltem Verlangen geheizte Vorhölle zu sein – einer verliebt sich zu akustisch-geschrummtem, pluckerndem Pop unsterblich in ein vermeintlich weibliches Wesen, ein schmieriger Herr bettelt zu schlierigen Synthesizern um Zuneigung, ein anderer würde sich schon mit der Rolle als Vibrator zufriedengeben, ein prüdes Mädchen weist die Annäherungen ihres Liebhabers zurück, ein Vamp erklärt zu einem schunkelnden Tune, warum es nicht klappen kann mit der Treue. Bleibt nur die Landflucht („And I’m gonna find me a country boy/ And have a couple country kids:/ LeAnn and LeRoi / And we’re gonna wind/ Down those country roads/ And sing and play the dulcimer till this world explodes.“). Aber, ach, auch dort sind die Partys schlecht und die Ehen zerrüttet. Ein Städter feiert wilde Orgien, die schöne Frau liebt nur den Mariachi und der Synthie-Pop der Magnetic Fields klingt plötzlich wie eine auf 33-Umdrehungen abgespielte ABBA-Single.
Egal ob in Scheunen und Landhäusern oder unter Schwarzlicht und Stroboskopblitzen – die Liebe wird man nicht finden in diesen 15 Kurzgeschichten, die sich in all ihrem Witz und Zynismus jeweils in weit weniger als drei Minuten entfalten. Der kleine missmutige Mann an der Bar wippt zum billigen Beat und grinst. (Domino) Maik Brüggemeyer)
Beste Songs: „Andrew In Drag“, „The Horrible Party“