Maike Rosa Vogel :: Unvollkommen
Eine Songschreiberin zwischen Zumutung und Triumph
Wer je im Leben ein geisteswissenschaftliches Seminar betreten hat, wird erst mal zusammenzucken, wenn er diese Frau hört. So waren sie, die leicht nach Schweiß duftenden, ungekämmten „Der kleine Prinz“-Leserinnen mit den indianischen Federohrringen. Die sofort nach dem Sex ausführlich sprechen wollten und bei denen immer so elend viel gefühlt, gespürt, erkannt und erinnert wurde, dass man ihnen empfehlen wollte, doch mal ein Praktikum auf dem Bau zu machen (für das man sich selbst zu fein gewesen wäre).
Womöglich ist das sexistischer Spott – man könnte nämlich auch behaupten, dass Maike Rosa Vogel, 33, derzeit aus Berlin, eine originär weibliche Version von Jochen Distelmeyer ist (dem die Jungs bekanntlich alles verzeihen): eine Sängerin und Songwriterin, die sich intensivst mit dem Verhältnis von Ich und Du und Welt beschäftigt, die überhaupt nicht weiß, wie sie die viel zu vielen Gedanken in die kleinen Strophen stopfen soll, die Banalitäten („Sich selbst zu spüren, das große Abenteuer“), Verqueres („Die Schönheit ihrer desorientierten Körperlichkeit/ Erinnert mich an dich“) und echt Kluges („Du denkst, dass eine Welt, die noch vor anderthalb Sekunden/ Noch alles an dir verneinte/ Mal eben so privat erschlossen werden kann“) fast in einem Atemzug dichtet. Die sich auf Gitarre und Klavier gerade mal so viel beigebracht hat, wie nötig war, um ihre eminent eiligen Songs irgendjemandem vorsingen zu können.
Und genau das macht diese zwischen Zumutung und Triumph pendelnde (und von Sven Regener produzierte) Musik dann doch so besonders: die unbändige Dringlichkeit und Chuzpe, mit der Maike Rosa Vogel uns davon überzeugt, dass diese Lieder wichtig und weltbewegend sind. Und dass wir keine andere Wahl haben, als sie zu hören. Niedlich ist das nicht. (Our Choice/Rough Trade) Joachim Hentschel