Matthew Friedberger Matricidal Sons Of Bitches :: Was war das eigentlich für ein Jahr? Eurotrash aus den USA, alte Männer in Hochform, junge Frauen im Vocoderwahn, und Scott Walker macht mit „Bish Bosch“ das Licht aus und kichert. Kann es sein, dass uns was entgangen ist? Ein paar Punk- und New-Wave-Perlen vielleicht. Nicht doch, hier sind sie:

Corin Tucker, einst die mächtig(st)e Stimme bei Sleater-Kinney, hat ein neues Album veröffentlicht, ihr zweites mit der Corin Tucker Band. Das erste, „1000 Years“, war ein bisschen enttäuschend. Gegen das ein paar Monate später erschienene Werk ihrer Ex-Bandkollegen Carrie Brownstein und Janet Weiss, die dem Namen ihrer neuen Band Wild Flag alle Ehre machten, wirkte die einst so wilde Tucker wie eine hanseatische Perlenkettenträgerin. Auf „Kill The Blues“ gibt sie sich nun wieder laut und hysterisch, ihr mächtiges Organ überschlägt sich wie einst vor Wut und Wucht. Klingt fast wie früher – wenn nur die Begleitband ein bisschen mutiger und weniger muckerhaft wäre. (Killrockstars/Cargo)

Auch James Chance hatte eine wilde Vergangenheit, gehörte Ende der Siebziger zur New Yorker No-Wave-Szene, war kurzzeitig Saxofonist bei Lydia Lunchs Teenage Jesus and the Jerks und spielte mit seiner Begleitband The Contortions eine tragende Rolle auf Brian Enos fantastischem „No New York“-Sampler. Auf ihren alle Jubeljahre erscheinenden Alben verbanden Chance und die Contortions sehnigen New Wave mit Jazz. Auf „Incorrigible!“ klingt der 59-Jährige wie eine Mischung aus Mick Jagger und Garland Jeffreys, doch wenn er zum Saxofon greift, lässt er alle Virilität hinter sich und wird regelrecht feinsinnig und lyrisch. Die Contortions spielen dazu Geisterfunk, Kirmesmusik, Bossa Nova und coolen Lounge-Lizards-Jazz. Besonders gelungen ist das Gil-Scott-Heron-Cover „Home Is Where The Hatred Is“. Wundervolle Platte. (Ladth/Broken Silence)

Bleiben wir bei alten New-Wave-Helden. Malka Spigel spielte Bass bei den zu Unrecht vergessenen israelischen New Wavern Minimal Compact und ist mit Wire-Gitarrist Colin Newman verheiratet. Der spielt auch unüberhörbar auf ihrem vierten Soloalbum mit. Außerdem dabei: Johnny Marr und Stereolab-Schlagzeuger Andy Ramsay. „Every Day Is Like The First Day“ ist ein ruhig fließendes, entspanntes, mit Ambient und Pop flirtendes Werk. (Swim/Cargo)

Clinic aus Liverpool sind ja auch eine irgendwie zu spät gekommene New-Wave-Band und mussten sich daher – die Ungnade der späten Geburt – erst mal aus der Brit-Pop-Schublade kämpfen. Mit „Free Reign“, ihrem siebten Album, treiben sie ihre britische Version des Krautrock auf die Spitze. Handgemachte Maschinenmusik, kühl und repetitiv, durchbrochen nur von Ade Blackburns quengeligem Gesang. Das beste Stück heißt „Boney M“. (Domino)

Matthew Friedberger – die weniger aparte, aber musikalisch spannendere Hälfte der Fiery-Furnaces-Geschwister – macht auf „Matricidal Sons Of Bitches“ ebenfalls eine Form von Automatenmusik. Inspiriert von Hollywood-B-Movies aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sogenannte Poverty Row -, die sich aufgrund geringer Budgets keine eigene Soundtrackmusik leisten konnten und auf tantiemenfreie Stücke zurückgreifen mussten, hat er eine formelhafte Score-Musik für einen Horrorfilm gemacht, der erst noch gedreht werden muss. Doch man kann sich die Bilder zu diesen Stücken, die tatsächlich klingen wie ein ruckelnder alter Schwarz-Weiß-Streifen mit Max Schreck, schon ziemlich gut vorstellen. Oscar für die beste Filmmusik. (Thrill Jockey/Rough Trade)

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