Melvins

Nude With Boots

IPECAC / Southern

Auf ihrem 2000er Album „The Crybaby“ spielten die Melvins eine knochentrockene und absolut werkgetreue Coverversion von „Smells Like Teen Spirit“. Jedes Riff, jeder Beat war da – selbst das legendäre Gitarren-Heulen, das den Refrain einläutet. Auch der Sänger machte seine Sache gut und sang fast so verzweifelt wie Cobain. Es war aber Leif Garrett, Teenie-Star der Siebziger und bekannt durch dünne Songs wie „I Was Made For Dancin'“, der später als unfallträchtiger Drogenfreund durch die Medien ging. Es ist diese Sorte Humor, die die Melvins zu den Melvins macht. Dazu kommt die Band-typische Verschmelzung von Kiss-Riffs mit der bleischweren Wucht der frühen Black Sabbath plus einem Spritzer liebenswerter Misanthropie.

Nach 25 Jahren Bandgeschichte und über 25 Alben ist „Nude With Boots“ keine große Überraschung mehr. Die beiden Veteranen Grover und Buzz Osborne spielen – wie beim Vorgänger „(A) Senile Animal“ – noch immer mit Drummer Coady Willis und Bassist Jared Warren, die nebenbei auch noch Big Business betreiben. Das bedeutet: Wir spüren die Kraft der zwei Schlagzeuger. Am deutlichsten wird das in der post-apokalyptischen Interpretation der mittelalterlichen Totenmesse „Dies Iraea“ – man kennt das Stück in einer Variation von Béla Bartók aus dem Vorspann von „The Shining“. Finster und gewaltig -doch der Rest des Albums orientiert sich eher an Riffs und Strukturen von Kiss, einer großen Obsession der Band. Anfang der Neunziger veröffentlichten die damals als Trio existenten Melvins zeitgleich drei Soloalben, deren Artwork und Typo die berühmten Soloalben von Kiss zitierten. „The Kicking Machine“ ist saftiger Hardrock in eben dieser Tradition, die Riffs krachen lustvoll, der Doppelbeat kickt wie zwei verärgerte Maulesel. „Billy Fish“ erinnert ein wenig an die heavy Seite des Seattle-Sounds – Soundgarden sind gar nicht so weit weg. „Dog Island“ ist dann genau die Sorte Endzeit-Dröhnen, dessentwegen man die Melvins so liebt: ein Metal-Punk-Konglomerat, das nie ironisch distanziert daherkommt, aber trotzdem Spaß hat und macht. „Suicide In Progress“ setzt auf ein bedrohliches Lauern, das in jenseitigen Ambient-Klängen endet, während „Smiling Cobra“ vor Kraft fast explodiert.

„Nude With Boots“ ist vielleicht nicht das beste Melvins- Album – dafür klingt es einen Hauch zu klassisch abgehangen -,steht aber immer noch weit über fast allem, was da draußen ansonsten so rockt und rollt.