MllSikbÜCher von Wolfgang Doebeling
„Howling At The Moon“ (Abacus, ca. 22 Euro) von Walter Yetnikoff sind die Erinnerungen des berühmten Musikmanagers, Salonlöwen und langjährigen CBS-Präsidenten, der das eitle Treiben des Showbusiness der letzten 40 Jahre aus nächster Nähe erlebte, oft an maßgeblicher Stelle. Eine unterhaltsame Lektüre, weil der Egomane Yetnikoff bei aller Großspurigkeit mit hintergründigem Humor operiert. Dass er dabei sich selbst nicht zu schonen scheint, ehrt ihn. Doch sind es nicht die Passagen über seine Kindheit in Brooklyn oder freimütige Geständnisse in Bezug auf Drogenmissbrauch oder dubiose Geschäftspraktiken, die im Gedächtnis haften bleiben, sondern seine mehr oder weniger intimen Enthüllungen über die Mick Jaggers und Bruce Springsteens dieser Welt.
Als durchaus decouvrierend erweisen sich seine Einlassungen zu Michael Jackson, an dessen Karriere er kräftig mitgebastelt hatte und den er als ewiges Kind charakterisiert, als quengelnde, verklemmte Nervensäge. Wir werden in die Geheimnisse des Jackson-Clans eingeführt, sind Zeugen peinlicher Entäußerungen, erfahren wie sich Jacko die Rechte an den Beatles-Songs sicherte und Quincy Jones dessen Grammys missgönnte, und wie Yetnikoff es schaffte, Jackson auf das Cover des „Rolling Stone° zu kriegen. Durch Erpressung nämlich. Mehr wird nicht verraten. Nicht minder faszinierend lesen sich die finanzpolitischen Manöver hinter der CBS-Übernahme durch Sony, die Yetnikoff vorbereiten half. Oder die wortgetreue Rückblende auf ein Dinner mit Bob Dylan, zu dem dieser mit Onkeln und Cousins, einem Hund, seiner Freundin und seiner Mutter anrückte. „I was astonished by their dialogue“, schreibt Yetnikoff, „the mysterious poet suddenly turned into little Bobby Zimmerman.“ Mutter schnitt dem Sohn das Essen klein, ermahnte ihn, mehr zu essen und deutlicher zu sprechen. „Bobby“, wies Mrs. Zimmerman das kleinlaute Sprachrohr einer Generation zurecht, „be nice.“ Das war 1986. Bizarr. 4,0
„Mick Jagger: Rebel Knight“ (Omnibus, ca.
18 Euro) von Christopher Sandford ist eine der besseren Jagger-Bios, wiewohl nur ein Update jenes Versuchs von 1993, der in der Erkenntnis gipfelte, Jagger sei so leicht zu durchschauen wie die Sphinx. Da nützt es wenig, dass Sandford Familienmitglieder und alte Bekannte des Enigmas befragt. Neues ist nicht zu erfahren, das sattsam Bekannte wird ein weiteres Mal ausgebreitet: Mick ist 60, schwer reich und hochgebildet, er verfügt über einen analytischen Verstand, liebt nach wie vor Musik und springt auf alles, was schön, jung und östrogenhaltig ist. Zu echter, wahrer und tiefer Liebe, so Sandford, sei Jagger jedoch auch fähig, doch seien die exklusiven Empfänger seine Kinder. 3,5 „Roy Harper: The Passions Of Great Fortune“ (Science Fiction, ca. 50 Euro)si untertitelt mit „The Songs Explored“ und verfasst vom Künstler selbst. Wie es sich für einen Nonkonformisten und Rigoristen geziemt, hält Harper sich nicht mit Höflichkeiten auf, sondern feuert kulturkritische Breitseiten auf Konventionen und deren Hüter in Staat und Gesellschaft. Dass er dies prächtig mit einem Diskurs seiner Songs verbinden kann, spricht natürlich auch Bände über sein musikalisches Werk, das seinesgleichen sucht in Sachen Schärfe, Radikalität und Intelligenz. Wenn Harper zürnt, sprühen Funken. Auf seinen Platten, in diesem Buch. Vor allem Religion, die Geißel der Menschheit schlechthin, ist ihm ein Born fortwährender Verzweiflung, die sich in etlichen Songs manifestiert hat, zuletzt in „The Black Cloud Of Islam“. Erstaunlich immerhin, dass Harper seinen Frieden gemacht hat mit dem bitteren Umstand, nie die kommerziellen Erfolge eingefahren zu haben wie etwa seine Folkrock-Kollegen AI Stewart oder Ralph McTell. Ein Fest für Fans des Exzentrikers. Long mayyou stay angry,oldman. 4,5 „Bootleg! The Rise & Fall Of The Secret Recording Industry“ (Omnibus/Bosworth, ca. 25 Euro) von Clinton Heylin ist ein Plädoyer für die aufrechte Piraterie, informiert über ihre wechselhafte Geschichte von Dylans 69er „Great White Wonder“ bis zum schnöden CD-R-Einerlei der Neuzeit. Der Reiz sei verflogen, argumentiert Heylin, die Romantik von Bootleg-Manuf akturen, die wider den Stachel der Industrie lockten, habe einer Click-Kultur via Internet platzgemacht. Es geht um moralische und ästhetische Kategorien, doch liefert der 380-seitige Band auch jede Menge Fakten zur freien Meinungsbildung. 4,0 „Please Kill Me“ (Hannibal, 26 furo)vonLegs McNeil und Gillian McCain ist die erst unlängst hier ausführlich besprochene „unzensierte Geschichte des Punk“ aus erster Hand, erzählt von Patti Smith und Joey Ramone, Malcolm McLaren und Debbie Harry, Tom Verlaine und vielen anderen. Jetzt auf Deutsch, gebunden und immer roch spannend, insbesondere für die Nachgeborenen. Es waren vier höllisch aufregende Jahre, ab 1975. Learn all about it. 4,0 „Vicious: Too Fast To Live…“ (Creation, ca. 20 Euro)von Alan Parker ist die Chronik eines Scheiterns, menschlich wie musikalisch. Aber auch ein beredtes Werben um Verständnis für diesen Verwirrten. „The Definitive Biography“ verspricht das Cover, doch konzediert Parker, dass die Geschichte des kurzzeitigen Trendsetters und selbstzerstörerischen Punkrockers löchrig ist wie einst dessen T-Shirts und Unterarme. Eine unwahrscheinliche Ikone. 3,0