Morrissey

Low In High School

Der Künstler tritt in seinen dritten arabischen Frühling ein: Gemischte gute Nachrichten von Morrisseys Bettkante

Hat möglicherweise Morrisseys Spätwerk begonnen? Nach dem Krisenwerk, dem Verschwindenswerk, dem Comebackwerk und dem egalen Werk kommt jetzt der return to form, die er nie hatte. Auftrumpfend, breitbeinig, zu bombastischen Trommeln und unmotivierten Bläsern: „My Love, I’ll Do Anything“. Das ist nichts. „I Wish You Lonely“ hat die Struktur und die Melodie eines Smiths-Songs (oder wenigstens von „Speedway“), wenn es auch grauenhaft und brausend und trippig eingerichtet ist wie die meisten Stücke auf diesem Album.

„Jackie’s Only Happy When She’s Up On The Stage“ hat eine vertraute Melodie und einen vertrauten Titel und klingt mit absurden Bläserfanfaren, klotzigem Schlagzeug und Kindergeschrei am Schluss so, als hätte Morrissey einen seiner Freunde aus kalifornischen Furz-Metal-Kreisen mit der Produktion betraut. Vielleicht hat er einfach keinen musikalischen Geschmack. Kann ja sein.

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Aber auf „Low In High School“ sind auch erinnerungswürdige Songs. Die sehnsuchtsvolle Ballade „Home Is A Question Mark“ mit Spaghettiwestern-Bravado: „Because I haven’t met you/ I’ve wined and I’ve dined with every bogus music mogul …  No sign of you/ I brush and I rub pressing palms, exuding charms but never in arms/ And that’s why home is a question mark.“ Der Pop-Song „Spent The Day In Bed“, ein Ohrwurm nach alter britischer Art. Das elegisch und melodramatisch ausschweifende „I Bury The Living“. Bei „In Your Lap“ perlt eine Johnny-Marr-Gitarre, und so zart und hell hat Morrissey wann eigentlich gesungen? Er ist wohl verliebt: „All The Young People Must Fall In Love“, „When You Open Your Legs“.

Prinzen und Könige

In seiner Reihe der geopolitischen Welterklärung ergänzt Morrissey diesmal den arabischen Raum unter besonderer Berücksichtigung von Israel. Er rühmt die Widerständigkeit des „Girl From Tel Aviv Who Wouldn’t Kneel“ in einem auf Zehenspitzen geklimperten Tango in Leonard-Cohen-Manier und sieht verdrießlich wie immer schon Prinzen und Könige am Werk. Die Malaise liegt aber in den Bodenschätzen: „And the land weeps oil/ The land weeps oil/ What do you think all -these armies are for?/ It’s just because the land weeps oil.“ Im letzten Song, einem wahrhaftigen Selbstliebeslied, kommt er noch einmal auf und nach Israel zurück: „And they who rain abuse upon you/ They are jealous of you as well/ Love yourself as you should/ Israel.“

Es ist gar kein Spätwerk – es ist der dritte Frühling. Und Morrissey ist der bisher älteste Sänger, der „High School“ im Titel (und im Schilde!) führt. (BMG Rights/ADA Warner)