Multimedia von Thomas Feibel
Multimedia macht sie schon lange, doch bisher funktionierten die Werke von LAURIE ANDERSON nur in ihren Performances und als Konzept-Alben. Ihre Bücher konnte die Arbeit nicht repräsentativ fassen, ihre Platten ebensowenig. Nur CD-ROM, das wird dem Anwender mit „Puppet Motel“ (Systhema) schnell klar, ist die geeignete Plattform für Avantgarde, Kunst und Popmusik. Im Gegensatz zu Bod Dylan ist Laurie Anderson in Konzeption von „Puppet Motel“ voll involviert und (zusammen mit einer Bauchredner-Puppe) entsprechend präsent.
„Puppet Motel“ bringt ausgefuchste Technik (Videos, Ton, Navigation) und einen nahezu unerschöpflichen Einfallsreichtum in Präsentation, Design und Sounds zusammen. Kleiner Auszug: Songs, Lesungen, Vignetten, Video-Sequenzen aus den späten 80er Jahren, verfremdete Stimmen, aufregende Bilder, Licht- und Schatteneffekte. Der Anwender erhält mehr als genug Gelegenheit, „interaktiv“ zu sein. Und wem es trotzdem nicht reicht, der kann sich übers Internet noch ein paar Videos runterladen, um sie in „Puppet Motel“ zu betrachten. Zusammen mit dem kongenialen Designer/Programmierer Hsin-Chien Huang gelang es Laurie Anderson die ersten Maßstäbe seit Peter Gabriels „X-Plora“ zu setzen. Bislang jedoch nur für Mac. 5,0
Inzwischen wagen sich auch kleine Indepent-Firmen an das neue Medium. Nicht gerade spektakulär, aber ausgesprochen schön ist die neue Scheibe von „The Merlons Of Nehemia“ (Musical Tragedies/EFA) ausgefallen. Erst seit wenigen Jahren tingeln die fränkischen MERLONS mit ihrer Mischung aus mittelalterlicher Spielmanns- und melodischer Rockmusik herum und werden von Platte zu Platte immer besser.
Als Programmierer müssen sich die Produzenten zum Glück nichts beweisen, und also konzentrieren sie sich sich ganz darauf, die Musik adäquat zu ergänzen. Auf allen Wegen kann der Anwender mit Tarot-Karten dem Orakel zur Seite stehen und ein bißchen Zukunft weissagen. Es ist auch völlig in Ordnung, dem Orakel nicht zu helfen. Nur gibt’s dann grundsätzlich schlechte Karten mit Tod und Teufel. Erfreulicherweise ist „Remanoir“ eine Mixed Mode Scheibe und läuft ab Hybrid sowohl auf dem PC als auch auf dem Mac. 4,0
Die TOXICREASONS (Bizzcore/Indigo) präsentieren mit „No peace in our time“ die erste hybride Punk-Mixed-Mode CD-ROM überhaupt Wer die Buttons einer Lederjacke anklickt, erfahrt alles über die Entstehungsgeschichte der Band – von 1979 an. Ganz neu dürfte auch die Punk-Karaoke-Nummer „White Noise“ sein, die nach eigenem Gusto mitgegrölt werden darf. Höhepunkt ist allerdings Ed, die miese und bösartig schnarrende Stimme, die den Anwender nicht nur durch alle Funktionen und Details führt, sondern ihn auch gewaltig piesakt, wenn er die Maus mal eine Weile nicht bewegt („1’ve already told you to dick on the buttons“). Alle Musik-Tracks lassen sich übrigens nur an der Stereoanlage abspielen. Auch das ist Mixed Mode. 4,0
Das Altersheim lebt: Seit ihrem Comeback Mitte der 80er Jahre werkeln YES mittlerweile mehr oder weniger aufgequollen und glücklos vor sich hin. Zu ihrem neuen Album „Talk“ gesellt sich nun unter dem Titel Active“ (Comptons New Media, Tim Schmidt) die Mixed Mode: Verkauft das eine nicht, dann vielleicht das andere. Immerhin auch hybrid. Zur Geschichte des jeweiligen Songs kommt entweder der Gitarrist Rabin zu Wort, der unkonzentriert etwas über Riffs stammelt, oder Sänger Jon Anderson philosophiert im Indianer-Look über das Leben nach dem Tod. Als Bonus wurde dem einen oder anderem Track eine Live-, Demo- oder Instrumentalversion beigefügt. Nett ist das alles, aber natürlich überhaupt nicht notwendig. 2,0