My Morning Jacket – At Dawn

Tagsüber gehört die Prärie Calexico und den ganzen Herrschaften, die angeblich Soundtracks für imaginäre Western spielen. Aber abends, wenn das Flirren und Stauben aufhört, kommen die Jungs aus der Stadt mit ihren Rasseln und Gitarren nach draußen. Sie entzünden Lagerfeuer, ihr Anfuhrer schwenkt die Fackel und fangt zu singen an: „March on, desperate fhends! March with me until the end!“ Und die Nacht wirft ein Echo zurück.

Der junge Mann heißt Jim James, ist 22 und Sänger der Band My Morningjacket. Man weiß wenig über sie: Sind offenbar als Schülerband gestartet, haben eine Platte gemacht, die vor allem die Freunde aus Louisville, Kentucky gekauft haben. Ihr neues Album „At Dawn“ hört sich allerdings an, als ob sie schon ewig unter uns wären, mit Gram Parsons getanzt und mit Lee Hazlewood getrunken hätten, später mit den Jayhawks. Gut, so klingen sie alle heute. My Morning Jacket sind aber auf eine seltsame Weise so einleuchtend und verspult zugleich, so verholpert und doch im großen Stil illusionistisch, dass es freudlos wäre, hier wieder nur über New Country zu murmeln.

Jim James hat seine eigenen, verhallten „Deserter’s Songs“ geschrieben, die er in die Nacht hinaus ruft und winselt, umschwebt von Geisterchören, während der Gitarrist (eine Art Johnny Marr mit Zwei-Finger-System) die Sterne herunterzupft und das Dunkel sich wie Vanille färbt. Soviel Wohlklang, sanfte Trägheit, glühende Wangen. Reine Berechnung scheint das schon deshalb nicht zu sein, weil plötzlich ein achtminütiger Übungsraum-Blues dazwischenplatzt, bei dem sie wie ein Haufen Gymnasiasten durcheinander spielen. Etwas Besseres als ein Weihnachtslied kann danach nicht kommen. Und das kommt dann auch.

Wer den fünf jungen Männern da draußen in der Nacht verraten hat, wie man so mit Gefühlen spielt, soll ein Rätsel bleiben -jedenfalls sei vor allem „Just Because I Do“ allen empfohlen, die diesen Sommer noch vorhaben, Liebeskummer zu kriegen. Am Ende, bei „Strangulation“, hauen sie so ins Stakkato, als wollten sie die Dunkelheit über die Hügel treiben und gleich mitfliegen. Dann, endlich, die Dämmerung. Jim James zieht sein Morgenjäckchen an und geht schlafen.

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