My Morning Jacket – Evil Urges :: Zu viele Ambitionen: MMJ zwingen sich zur Stilfülle, der Zauber leidet

Vielleicht ist es ja eine Art Protest. Gegen den modernen Irrglauben, ein gutes Album bestünde aus drei Hits am Anfang und reichlich Füllmaterial danach. My Morning Jacket gehen auf ihrem fünften Werk den umgekehrten Weg: Zunächst scheitern sie an Ansprüchen, von denen man sich fragt, warum sie sie an sich stellen. So erweitert etwa der Titelsong ein anmutig waberndes Space-Intro mit entrückter Melodie ohne Not um ein AC/DC-Riff-Gewitter und reichlich Soul-Brimborium. Bereits hier hat Jim James zudem einen Falsettgesang Jimmy Sommerville’scher Prägung für sich entdeckt, den er vermutlich für soulful hält. Ein über Gebühr strapazierter Manierismus, der mit dem an „25 Years“ (The Catch) gemahnenden Stampfer „Highly Suspicious“ ins Karikaturistische überfuhrt wird. Wir vermuten, ungewollt.

Natürlich gibt es auch wieder ein paar dieser mäandernden Schwebelieder, für die man die Band immer geschätzt hat. Doch fehlt etwa „Touch Me I’m Going To Scream Pt. 1“ die zündende Idee. Ein Missstand, der nur bedingt dadurch behoben wird, dass es später – der Titel deutet es an – auch noch einen part two gibt, dessen Pink Floyd-haftes Outro immerhin zu den Höhepunkten der Platte gehört. Bei „Thank You Too!“ könnte man My Morning Jacket dann glatt für eine Kopie der Band Of Horses halten – dabei ist es ja eigentlich umgekehrt.

Das Problem: Man spürt den Willen zum Meisterwerk zu deutlich. Die reinen Americana-Rocker, als die sie immer wieder beschrieben wurden, waren MMJ spätestens seit dem famosen „It Still Moves“ nicht mehr. Nun aber eignen sie sich mit aller Gewalt eine derartige Stilfülle an, dass der einst ingeniöse Zauber der Musik leidet. Was „Evil Urges“ in Teilen etwas Formelhaftes, Streberhaftes anhaften lässt. Die flirrende Transzendenz und berückende Psychedelik von „2“ wird allenfalls in homöopathischen Dosen verabreicht.

Am hellsten strahlt „Evil Urges“ folglich immer dann, wenn der Inhalt die Form besiegt: „See Walking“ will gar nicht mehr sein als eine betörende Country-Ballade, „Aluminium Park“ ist solider Springsteen-Rock, „Two Halves“ ein gelungener Petty-Verweis. Diese Momente entschädigen für vieles. Trotzdem nicht über die vielen Referenzen wundern: Statt in entlegene Galaxien geht es hier meist nur kreuz und quer durch die Geschichte des Pop.

Es ist ja eine Binsenweisheit, dass Bands meist mit dem falschen Album ins Bewusstsein der breiten Masse vorstoßen. Verfolgt man die Vorberichterstattung insbesondere in den USA, scheint es, als käme auch hier der kommerzielle Durchbruch nach dem kreativen Peak.

Und da zu einem vermeintlichen Meisterwerk ein roter Fadengehört, verfolgt „Evil Urges“ eine Art Konzept über das Böse und dessen unendliche Manifestationen. Freilich geht der sicher gut gemeinte Überbau ein bisschen unter in dem ganzen Gewirr. Passt auch nicht so gut zu den Bärten.

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