Nat „King“ Cole – L.O.V.E. – The Complete Capitol Recordings 1960-1964

Rastlos produktiv in den letzten Jahren vor seinem Krebstod, war Nat „King“ Cole auch als Workaholic ein kompromissloser Perfektionist. Alle Popularität hatte seine immer selbstkritische Einstellung nicht beschädigen können. Sinatra war wohl der Einzige, der ihm als Crooner in großen Momenten ebenbürtig Balladen vorzutragen wusste. Nicht von ungefähr wurde das mit Nelson Riddle erarbeitete „Wild Is Love“ eine seiner faszinierendsten und erfolgreichsten LPs. Was er unter Modern Sounds In Country & Western Music verstand, hörte man bei der LP „Ramblin Rose“- im selben Jahr veröffentlicht wie besagter Megaseller von Ray Charles.

Jeder gestandene Fan von großem Rock’n’Roll wird irgendwann mal zu der Auffassung gelangt sein, dass „Phil Spector’s Christmas Album“ doch das so ziemlich größte seiner Art ist. Aber da kann man durchaus auch anderer Meinung sein. Drei Jahre vorher hatte Cole „The Magic Of Christmas“ veröffentlicht, und für das gilt ohne Einschränkungen nach wie vor, was einmal David McGee im „Rolling Stone Album Guide“ ganz vorzüglich so formulierte: „If ever a man was born to sing of the Yuletide it was Cole, who approaches the material with both dignity and good humor.“ Das 1954 vorgelegte „The Christmas Song“ war schon so ein Allzeitklassiker der Gattung gewesen. Die eigene Neuaufnahme sang er so wenig sentimental und doch gefühlvoll, dass diese Platte (hier mit ein paar zusätzlichen Outtakes) zweifellos zu seinen großen zählt.

Eine fast schon unheimliche Perfektion hatte er auch bei seinen Live-Auftritten erreicht. Das Konzert im Sands, Beginn am 14. Januar i960 um 2.30 Uhr in der Früh, nur geladene Gäste, darunter reichlich Las Vegas-Prominenz, die Cole als Kollegen bewunderte, die Begleitband um hochkarätige Studio-Profis aus Hollywood erweitert, war natürlich als Special Event geplant. Mit den an gleicher Stelle dokumentierten Sinatra-Auftritten. erst kürzlich im Rhino-Box Set komplett zu hören, kann dies Ereignis locker mithalten. Nur ein Höhepunkt unter anderen, aber trotzdem wohl die definitive Interpretation überhaupt, ist das, was Cole an dem Morgen aus der Mörderballade „Miss Otis Regrets (She’s Unable To Lunch Today)“ machte. Hinreißend auch die erst Jahrzehnte später öffentlich gemachte Version von „Mr. Cole Won’t Rock’n’Roll“, seine amüsante Hommage an und Satire auf DooWop, Rock’n’Roll und das neumodische Liedgut, in dem sich „moon“ und „June“ nicht mehr reimten und die Tin-Pan-Alley-Profis durch die nachgeborenen Komponisten von „Why Do Fools Fall In Love“ und „Tutti Frutti“ arbeitslos geworden waren. (Bekanntlich nicht wirklich, eine Zeitlang sollten Brill-Bulding-Teams sie ablösen und zeitlos große Popsongs schreiben.) Das Publikum klatschte begeistert. Elvis‘ Comeback stand erst noch bevor, viel Teeniepop-Gesülze war so erfolgreich, dass sich ein Könner wie Cole keine Sorgen um seine Zukunft machen musste.

Capitol veröffentlichte den Sands-Mitschnitt erst ein Jahr nach seinem Tod. Die Jazz-, Balladen- und Country-LPs, alle Studio-Projekte, hatten dann doch Priorität. Eine seiner besten LPs wurde „Where Did Everyone Go“ (süperbe Gordon-Jenkins-Arrangements), das Gegenstück zu Sinatras „Sings For Only The Lonely“. Aber ein richtiger Bestseller wurde erst wieder „L-O-V-E“ (hier auch in der italienischen, japanischen und deutschen Aufnahme zu hören, letztere so wenig akzentfrei gesungen, dass das unfreiwillig klingt komisch). Die ganzen Neuaufnahmen seiner Klassiker aus den 40er und 50er Jahren, einst auf dem 3-LP-Set „The Nat King Cole Story“ präsentiert, fehlen natürlich auch nicht. Die Liner Notes bieten mehr an Informationen, als man je zu fragen wagte. Der Aufnahme-Standard war bei Capitol zu dieser Zeit längst dermaßen hoch, dass die Klangqualität hier durchweg noch edler ist als bei den Sinatra-Klassikern der 50er Jahre.

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