Nat King Cole – The Complete Capitol Recordings 1955-59

Selbst auf dem Höhepunkt seines Ruhms und Nat „King“ Cole war wirklich ein Superstar seit „Mona Lisa“ und der Crooner, von dem sich auch Dean Martin oder Elvis Presley inspirieren ließen fand er nie einen Sponsor, der bei einer der führenden Senderketten auf Dauer eine Fernseh-Serie mit ihm finanziert hätte. Was ein grelles Schlaglicht auf den damals vorherrschenden Zeitgeist wirft. NBC kündigte ihm kurzfristig wieder Freundschaft und Vertrag, obwohl er da gerade von „Love Is The Thing“ schlappe acht Millionen LPs verkaufte – und damit zur selben Champions League wie Frank Sinatra und Elvis gehörte. Er genierte sich auch nicht, spanisch gesungene Platten für den lateinamerikanischen Markt aufzunehmen. Daneben konnte er jederzeit noch seinen Jazz-Ambitionen frönen. Dieser kettenrauchende Workaholic war in seinen Capitol-Jahren noch einiges produktiver als Sinatra. Um den Unterschied zu letzterem zu verdeutlichen, weisen die Liner Notes maliziös und vielleicht ein wenig fies auf die Tatsache hin, dass Sinatra sich nie auch nur an einen der berühmten Standards wagte, die Nat Cole für seine LP-Klassiker so trefflich aufgenommen hatte. Wenn er darüber sang, dass er jetzt schätzungsweise mal seine Tränen zum Trocknen aufhängen müsse, nahm man das Sinatra ab. Heftige, Narben hinterlassende Affären (auch und gerade solche, die ihm die Damen glatt verwehrten), kannte man im Zweifelsfall ja aus der Klatschpresse. Aber niemand, so die Liner Notes sehr richtig, hätte ihm die Verse „When I fall in love/ It will be forever/ Or I’ll never fall in love…“ abgenommen. Gordon Jenkins sorgte mit seinem unübertroffenen Arrangement auch beim Remake von Bing Crosbys „Stardust“ dafür, dass Nat Coles Deutung die für immer definitive wurde. Der Kollege Sammy Davis jr. gestand bekanntlich einmal freimütig ein, dass er nie einen Song singen würde, den Nat schon aufgenommen habe. „It Could Happen To You“, „It’s Only A Paper Moon“ und viele andere Songs in diesem Box-Set gehören notorisch zu den Nat-King-Cole-Aufnahmen, auf die man in Hollywood immer wieder gern zurückgreift, um die psychische Verfassung eines Leinwandhelden zu vermitteln oder einem bestimmten Zeitkolorit Ausdruck zu geben. Was um so kurioser ist, als viele der Aufnahmen längst zeitlose Standards geworden sind und trotzdem für die Soundtracks vollkommen unterschiedlicher Kriminalfilme, Satiren oder Komödien (toll in Richard Benjamins „My Favorite Year“ oder später in „Sleepless In Seattle“) eingesetzt werden.

Anders als sonst bei monumentalen Komplett-Werkschauen von Bear Family gewohnt, beschränkte man sich bei diesem ersten von zwei Box-Sets wohl auch deswegen auf die Jahrei955 bis 1959, weil die Rechte an den früheren Einspielungen mittlerweile „frei“ sind und Aufnahmen, die Nat Cole seit Mitte der 30er Jahre machte, längst auf mehr als 200 (!) CDs zirkulieren. In welcher Qualität, darf jeder für sich selber entscheiden, der die veröffentlicht. Hier genügte man einmal mehr dem Anspruch, diese Jahre lückenlos zu dokumentieren: Sämtliche 16 Original-LPs, die Singles-Sessions komplett, auch alle Blues- und Jazz-Aufnahmen der Zeit – vor allem wieder all jene Overdubs ausgemerzt, mit denen man damals manche Aufnahmen um vermeintlich größerer Popularität willen verhunzte.

Will Friedwald flunkert in seinen immer profunden Liner Notes (Grammy-verdächtig, wenn die Juroren da nicht so national borniert wären) natürlich nicht, wenn er erzählt, dass Nat Cole zwischen Januar und November 1958 nicht weniger als sieben LPs aufnahm. Capitol brauchte Jahre, um alle zu veröffentlichen. Bear Family bringt ein paar erst im nächsten Box-Set.

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