Nelly Furtado – Whoa, Nelly!

Wenn Pop das große Spiel mit den Identifikationsangeboten und Projektionsflächen ist, dann hat Nelly Furtado dieses Spiel mit Anfang 20 schon gut durchschaut. Gut schaut sie aus, im Booklet ihres Debüts, für jeden ist was dabei Das kumpelige Roller-Girl mit Grübchen. Die kühle Schöne. Das romantische Blumenmädchen. Ein bisschen Vamp darfauch sein. Die hübsche Kanadierin mit portugiesischem Stammbaum schwärmt aktuell von Beck und Cornershop, von Jeff Buckley und Nusrat Fateh Ali Khan. Und früher, am Plattenspieler der Eltern, nudelte sie BillyJoels „Glass Hou5«“duirh.

Von all dem aber ist auf „Whoa, Nelly!“ wenig zu hören. Vielmehr hat Miss Furtado die Sounddesigns nebst Sample/Scratch-Ästhetik des jüngeren R&B intus, reichert diese geschickt mit Stilelementen aus dem Land ihrer Erzeuger bzw. dessen alten Kolonien an, und vergisst zwischendurch auch nicht, beherzt „Pop!“ zu rufen. Dabei sind die Selbstbestimmungsrituale einer Frau, die öfter weiß, was sie nicht will, als was sie will, kaum so sonnig, wie sie selbst gern glauben machen möchte.

Die einsame „Party“ mit sich selbst hört sich gar nach Mental-Keller an. „Viel Fröhlichkeit“, sagt Nelly, will sie transportieren, Liebe verbreiten, „keine Tränen“. Doch ein paar dürften geflossen sein, bevor sie wieder trotzig den Kopf raushielt und gegen neidische Ex-Gefährten austeilt („Shit On The Radio“). „I know youll shine much brighter than I ever could“ wird sie später, im sanft-reumütigen „Scared Of You“, den Spieß umdrehen und an typischen Beziehungsängsten eines unsteten Vogels kratzen, der noch gern von Nest zu Nest zieht.

Abschließend landet Nelly Furtado dann aber doch noch, in der alten, neuen, jedenfalls sehnsüchtig aufgesogenen Heimat „Onde Estäs“ („Wo bist du?“) mag nicht ganz den schweren Mut eines untröstlichen Fado haben. Aber weit entfernt davon ist sie auch nicht mehr.

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