No Country For Old Men :: Ethan & Joe Coen (Start 28.2.)
Der Killer ist verärgert. „Das sagen alle“, stöhnt er und wendet genervt den Blick ab, als sein Opfer ihm ins Gewissen zu reden versucht, er müsse das jetzt nicht tun. Natürlich drückt er ab. Ein kurzes, dumpfes „Plop“ erklingt. Und noch mal: „Plop, plop.“
Selbst Quentin Tarantino dürfte etwas neidisch sein auf den neuen Film der Coen-Brüder, der ohne Zweifel ein verdammtes Meisterwerk ist. Hart, sarkastisch, präzise und vor allem blutig haben sie das Kino von Sam Peckinpah und Walter Hill aufgegriffen, diese existenzialistische Atmosphäre der Action-Thriller in den 70er Jahren, als Spannung noch Anspannung war und nicht in einer rasanten Abfolge von Stunts und Effekten lag, sondern in der Ruhe dazwischen. In elegischem Cinemascope stilisieren die Coens den Mythos des amerikanischen Westens, in dessen Weite alles möglich scheint und jeder auf sich allein gestellt ist.
Die Coens schildern eine unerbittliche Hetzjagd und fassen die Motive dazu gleich am Beginn zusammen. Der Profikiller Anton Chigurh (Javier Bardem) entkommt aus der Zelle, indem er einen Hilfssheriff mit Handschellen stranguliert. Nicht weit entfernt in der texanischen Einöde versucht der Vietnam-Veteran Moss (Josh Brolin) ein Reh zu schießen und verfehltes. Das verwundete Tier humpelt davon. Er sucht es und findet mehrere Autos mit einem Dutzend Leichen, einer Ladung Kokain und zwei Millionen Dollar. Ohne Zögern nimmt er das Geld mit. So wird der Jäger ein Gejagter- und zum Freiwild für Chigurh.
Moss ist ein stoischer, wortkarger Kerl. Er weiß sich zu helfen, kennt das Risiko. Darin ähnelt er jenen Typen, die einst Nick Nolte oder Charles Bronson gespielt haben. Die Coens machen aus ihm jedoch keinen Helden, sondern einen Verlierer des amerikanischen Traums. Und die Hauptfigur ist auch eher Chigurh. ein Irrer mit maskenhafter Mimik und einer schlecht sitzenden Frisur, dessen gnadenlose Humorlosigkeit absurde Komik erzeugt. Türen öffnet er mit einem Pressluftgerät, das er („Darf ich das mal an ihre Stirn halten?“) auch als Waffe einsetzt.
So ein Monster überfordert auch den erfahrenen Sheriff Bell, den Tommy Lee Jones wie ein Gegenstück zu seinem agilen Marshall in „Auf der Flucht“ spielt. Bell ist hier das Gewissen, der das Unheil ahnt und mit bitterer Ironie kommentiert, als sehe er einer griechischen Tragödie zu. Denn trotz der Exzesse haben die Coens keine Gewaltorgie gedreht, sondern eine Meditation darüber. Der Geschichte spielt zwar vor rund drei Jahrzehnten, reflektiert aber die Brutalität von heute, auch die im Kino. Gewalt habe es ja immer gegeben, sagt ein alter Kollege zu Bell und schüttelt den Kopf, so etwas aber habe er noch nie erlebt. Wer mache das? Ratlos starren die alten Männer in ihren Kaffee. Ihre Würde bewahren sie sich.