Panda Bear :: Tomboy
Großartiger Zeitschleifen-Pop vom Animal-Collective-Alleskönner
Was soll man eigentlich tun, wenn man die Musik von Panda Bear hört? Nicht tanzen, nicht lesen. Auf keinen Fall: Freunde zum Essen treffen. Sex: schwierig. Eher: Mandala-Bilder ausmalen. In einem Stuhl aus Gummi sitzen. Ein Tattoo entwerfen, das man sich später aufs Bein stechen lässt. Nach der Haselnuss suchen, die im Mittelpunkt der Erde versteckt ist. Ein Bad nehmen. Testen, wie lange man die Luft anhalten kann. Große Pläne machen. Drogen nehmen nur dann, wenn es so richtig mega-super-positive Drogen sind.
Anders gesagt: Es ist ganz unglaublich, wie nüchtern, stupide und kleinkrämerisch fast alle andere zeitgenössische Popmusik wirkt, wenn man sie gegen „Tomboy“ laufen lässt, das vierte Album von Noah Lennox, genannt Panda Bear, dem Alleskönner von Animal Collective aus Baltimore, einer der wichtigsten Gruppen der Welt. Pandas eigene Songs – große, tausendschöne Kanonmelodien, geloopt und in Hall gebuddelt, ein schlurfender, zischender Himmelszirkus – wirken dabei nicht etwa wie privates Zeug, das er bei der Band nicht unterkriegen konnte. Sondern eher wie Detailstudien zum Animal-Kosmos. Die Ecke in der Werkstatt, in der an den Wolken und Farbflächentönen gearbeitet wird.
Einen Teil der „Tomboy“-Stücke gab es vorab auf Singles, in etwas trockeneren Abmischungen. Bevor Ex-Spacemen-3-Psychedelic-Oberst Sonic Boom dazustieß und mit dafür sorgte, dass die Musik doch so verspult und raumgreifend ausfällt wie gewohnt. Im Vergleich zu Pandas Meisterwerk „Person Pitch“ nicht so verschachtelt und wendungsreich, dafür greifbarer. Die perlenäugige Mitte zwischen Avantgarde und Hippiekitsch, die zwar immer an die Beach Boys erinnern wird, aber im Kern viel mehr mit den Loop-Mantras gemeinsam hat, die Radiohead und James Blake zuletzt gemacht haben.
Das Großartigste an diesem hellwach einlullenden Zeitschleifen-Pop ist aber, wie Panda Bear ihn immer wieder zum kompletten Stillstand führt. Zum Dröhnen, zum drone (ein Song heißt sogar so), in dem nur noch die chemischen Grillen zirpen und das Barber-Shop-Quartett plötzlich auf der Wiese eines spanischen After-Hour-Rave ankommt. Ich schlucke jetzt erstmal eine Rolle Bonbons, besaufe mich mit Minzlikör, atme fruchtig parfümierten Disconebel ein. Und dann gebe ich dem verdammten Ding doch noch fünf Sterne. (Paw Tracks/Indigo) Joachim Hentschel