Pere Ubu

„Dub Housing“

Der Cuyahoga River ließ Randy Newman einst richtig jubeln: „Cleveland, city of light, city of magic/ Cleveland, city of light you’re calling me.“ Da bot er alle ihm verfügbare Arrangeurs-Kunst auf. Der Grund dafür: „‚Cause the Cuyahoga River goes smoking through my dreams.“

In derselben Stadt, deren Flusss brannte und die- so etwas wie ein teenage wasteland– im Gegensatz zu San Francisco, Memphis, Boston, Detroit und anderen Metropolen wirklich nie für ihren „Sound“ bekannt war, gründeten Gitarrist Peter Laughner und Sänger David Thomas drei Jahre nach „Burn On“ eine Band, aus der heraus sich das weithin meistgepriesene Avantgarde-Aggregat der Rockmusik seit den Velvet Underground entwickeln sollte.

Letztere waren für Thomas- solange das noch eine richtige Band war -auch leuchtendes Vorbild, während Laughner aus seiner Idolatrie für Jimi Hendrix kein Geheimnis machte. Mit dem üblichen, seit den späten 60er Jahren schwer in Mode gekommenen Prog-Rock hatten die Avantgarde-Ambitionen dieser Truppe eher weniger zu tun. Wenn die ersten beiden LPs eines als gesicherte Erkenntnis vermitteln wollten, dann, dass nichts sicher ist. Hier griff nicht mal richtig die Behauptung von Lampedusas Fürst in „Il Gattopardo“, dass sich alles ändern müsse, damit alles beim Alten bleibt.

Nach den frühen Jahren – in denen sie eine Mischung aus Psychedelica und Hard Rock ausprobierten- wechselten Thomas & Co. das musikalische Vokabular des öfteren komplett aus. Schon beim LP-Debüt „The Modern Dance“ war mit dem neuen Mitglied Allen Ravenstine nichts mehr wie zuvor, und nach demselben war bei „Dub Housing“ alles erneut ähnlich gewöhnungsbedürftig wie Weiland bei dem auf „The Velvet Underground & Nico“ folgenden „White Light/White Heat“.

Ab sofort hatten Pere Ubu- egal, in welchen wechselnden Besetzungen auch immer, in denen sie 1979 der Überlieferung zufolge in San Diego vor weniger zahlenden Konzertbesuchern spielten, als die Band selbst Mitglieder hatte!- ihre unverbrüchlichen Apologeten (und nur ganz wenige mutige Spötter und zaghaft argumentierende Verächter). In den auf „Dub Housing“ folgenden drei Jahrzehnten erschien unter dem Band-Namen Pere Ubu ein weiteres Dutzend Studio-Platten.

Welchen Rang dabei op. 2 unter allen einnimmt, belegt wohl recht eindrucksvoll die Tatsache, dass sieben der „Dub Housing“-Aufnahmen in der Fan-Gemeinde zu den zehn größten aller Pere Ubu-Songs überhaupt gewählt wurden. Worüber man, nebenbei bemerkt, auch mal als ganz entscheidenden Unterschied zu Velvet Underground und deren vier LPs grübeln darf. Irgendwo hatte der ganze Jubel über das im Herbst 2006 erschienene „Why I Hate Women“ wohl auch ein wenig mit der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn und dem gemästeten Kalb zu tun, das anlässlich seiner Rückkehr geschlachtet wird.

Zehn Jahre nach dem CD-Remake von 1999 fand David Thomas offenbar die Zeit reif für eine Remaster-Version, während die weitere Verbreitung etlicher anderer nicht ganz so großartiger Pere Ubu-Platten anscheinend auf seinen Einspruch hin vorübergehend unterbunden wurde. In den neu entzerrten Überspielungen muten manche Aufnahmen noch weit mehr wie Hörbilder denn wie Songs im üblichen Verständnis des Begriffs an.

Ob das jetzt wieder gehörte „Thriller!“ genauso viel Hörvergnügen bereitet wie „I Am The Walrus“ (oder manche der ganz wunderbaren Talking Heads-Songs dieser Zeit, frühe Mothers Of Invention, das in demselben Jahr 1978 erschienene „Shiny Beast“ oder „Doc At The Radar Station“ von Captain Beefheart), dürfte auch davon abhängen, wie genusssüchtig man sich mit dieser ganzen Rockmusik umgibt und beschäftigt.

Mit den Jahren hat selbst so etwas wie „Codex“ eine klassizistische Patina angesetzt- ganz abgesehen davon, dass David Thomas auf seine hier artikulierten Probleme mit dem weiblichen Geschlecht immer wieder anders, aber doch immer wieder mal bis hin zum bislang letzten Album zurückkam. Besonders ironisch klang das allerdings damals schon fast drei Jahrzehnte vor „Why I Hate Women“ nicht, wenn er immer wieder mantraartig klagend wiederholte: „I think about you all the time…“- und damit seinen ganzen Kummer etwas anders artikulierte als Generationen von Blues-Männern vor ihm.

Sich nach dieser Platte noch einmal Enzensbergers Anmerkungen zur Avantgarde in den „Einzelheiten II“ zu Gemüte zu führen, ist nicht die schlechteste Idee. Die Lektüre inspiriert auch zum Nachdenken über das Altern in Würde von Pere Ubus Avant-Garage-Musik.(Cooking Vinyl)