PRIMAL SCREAM- VANISHING POINT :: Creation/Sony

Creation/Sony Ein episches Fade-in aus Pieps und Fieps, Tablas und Sitars, Umma und Gumma, Loops und Leiern, Orgel und Donnergrollen, und dann… Könnte der junge Mick Jagger sein, in der Badewanne oder in der Echokammer. Ein Outtake offenbar aus „Their Satanic Majesties Request“,jede Wette. „Sing This All Together (See What Happens) Part ü“? Nein. Der Track heißt „Burning Wheel“ und erä&net“KmishingPomt“, das sicher meistdiskutierte Album dieses Sommers. Vorwärts in die Vergangenheit, zurück in die Zukunft? Gleichviel. Primal Scream haben sich mal wieder eingestöpselt in das sich nach allen Richtungen ausdehnende Rock-Kontinuum, wo nichts Bestand hat und alles wiederkehrt. An den fulminanten Glamrock-in-Memphis-Partyknaller“Gm> OutButDon’tGhe Up“ erinnern nur noch eine Lavalampe und Bobby Gillespies dünnes, nörgelndes, aber stets hyperpräsentes Stimmchen. „Savamadeliai“ ist näher, doch verströmte dieses Pionierwerk der Dance-Rock-Fusion seinerzeit eine Euphorie und schien beflügelt von einem so übermächtigen Erfinderstolz, daß keiner wagte zu rufen: Das ist ja beknackt. Des Kaisers neue Kleider, doch kein vorwitziger Kindermund tat Wahrheit kund, und so schillert sie noch, die Seifenblase der Raver-Kultur, auch wenn die Luft drinnen immer knapper wird. Für Sauerstoff-Zufuhr sorgt nun „Mtnishing Point“, ein Paradoxon, denn kein einziger Bestandteil dieser trippigen, flippigen Musik ist unverbraucht, und dennoch entsteht beim Rühren und Erhitzen ein Gasgemisch, das heiter stimmt und denAdrenalin-Ausstoß anregt Wenn es leicht zu definieren wäre, könnte man es beliebig reproduzieren, doch verstehen Primal Scream nichts von Chemie, sie sind Alchimisten, Meister also in der Kunst, zu veredeln und Gold zu zaubern aus einem Haufen Dreck. Natürlich gelingt nicht jede Hexerei, vieles auf „Kmishing Point“ ist Leerlauf und schlichte Scharlatanerie. Wenn Gillespie etwa den Lemmy-Heuler „Motörhead“ durch eine Darth-Vader-Maske nuschelt (kein Witz!) oder aus den impotenten Rifls von „Medication“ ein zweites „Rocks“ fugen will per Sangesleistung (no hum). Doch ebensoviel funktioniert. Die überdimensionierte Reggae-Bassline in „Stuka“ oder Augustus Pablos verhallte Melodika zu den linden, beschwingten Grooves von „Star“, das überdies den unerwarteten Luxus eines freimütig-sozialbewußten Textes bietet Für die überschaubare Schar der Raver mit Hirn. Als Soundtrack schließlich zum alten, Drogen-getriebenen Roadmovie gleichen Namens findet „Kmishing Point“ zur wahren Bestimmung. Laufen Bilder mit, erst recht so temporeiche und explosive (und sei es nur in blasser Erinnerung), füllen sich die Soundscapes mit Sinn. Pink Floydrevisited. Interstellar Overdrive mit Dub-Effekten und Dance-Beats. Astronomy Domine mit Schlaufen und Schleifen. Mantras, shet funhy. Meditation, aber freaky. Mumpitz, aber farout. WOLFGANG DOEBELING

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