Pulp – Hits :: Mercury

Funny how it all falls away. Als Jarvis Cocker „Help The Aged“ sang, bat er nicht um Mitleid mit den Geronten – er meinte sich selbst. Cocker war damals 33 und auf der Höhe seines Ruhms, die er nach 16 Jahren Mitgliedschaft in der Band Pulp erreicht hatte. „Help The Aged“ war die erste Single nach den Britpop-Brechern „Common People“, „Sorted For E’s & Wizz“ und „Disco 2000“. Sie versank ebenso wie ein paar Monate später „This Is Hardcore“, das grandiose Dokument einer Krise Woody Allenschen Ausmaßes. Sex, Porno, Identitätsstörung, Männlichkeitswahn, Party-Narkose und die Erinnerung an bessere Zeiten sind die Themen dieser monströsen Platte, die kein Pop-Album ist. In „The Day After The Revolution“ verabschiedet Cocker das muntere, sorglose Treiben und deklarierte (zu Recht) das Ende des Britpop – und das der Ironie gleich mit, bye-bye. Keiner konnte Cocker helfen.

„This is Hardcore“ beschleunigte den freien Fall der begabtesten Band Britanniens. „We Lore Life“, geradezu die Antithese aus dem Jahr 2001, war der letzte Freischuss und erwies sich als Sargnagel. Die faszinierende Bestandsaufnahme eines Lebens im Sturm (und jedes Lebens im Sturm) wurde zur Feier alles Lebendigen, von den kleinsten Mikroorganismen zur größten (vergeblichen) Liebe. Am Ende, so Cocker im fröhlichsten, bombastischsten Song, ist womöglich alles bloß eine „Bad Cover Version“. Die angemessene Wertschätzung dieser vollkommen poetischen Meisterleistungen finden Sie ziemlich weit vorn unter den „100 Platten“ in dieser Ausgabe.

Was aber die „Hits“ angeht: Die erotischen Discokugel-Hymnen „Babies“, „Razzmatazz“, „Lipgloss“, „Do You Remember The First Time?“ waren solche oder hätten es sein können. Die oben genannten Songs aus der wunderbar berauschenden Sozial-Soap „Different Class“ waren es. Aber „This Is Hardcore“, „A Little Soul“, „Trees“, „Sunrise“ und „Last Day Of The Miners‘ Strike“, das vielleicht allerletzte Stück von Pulp, waren es nicht. Diese Songs zeigen, dass es keine zweiten Kapitel im Pop gibt. Funny how it all falls away.

Jarvis Cocker hat geheiratet und ist nach Frankreich gezogen. Was für ein Material!

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