Replays 1 von Franz Schöler
Weil Polygram-Produzent Bill Levenson offenbar in professionellem Ehrgeiz das in Australien erschienene 3-CD-Set „fVhat Goes On“ (Raven RVCD-28) von VELVET UNDER-GROUND noch entschieden übertreffen wollte, mußte er sich etwas einfallen lassen. Also nahm er sich dafür fast ein Jahr mehr Zeit als zunächst geplant, legte dafür aber auch mit ,Jxl Sbwly And See“ (Polydor 527 887-2) eine Box der Superlative vor. Auf den fünf randvollen CDs sechseinhalb Stunden Spieldauer – findet man zunächst mal komplett die vier Longplayer der Band: das Debüt erstmals mit dem ursprünglichen Stereo-Mix von „All Tomorrow’s Parties“ auf CD (dem mit Nicos Stimme „double-tracked“ nämlich)! Das dritte Opus “ Velvet Underground“ in jenem „Closet Mix“, der weithin identisch ist mit der hierzulande veröffentlichten CD-Version, aber radikal abweicht von den auf der amerikanischen CD enthaltenen Abmischungen. So erklingt „White Light/White Heat“ in immerhin geringfügig besserer, das letzte Album „Loaded“ in einer um Welten besser (dingenden Überspielung als zuvor auf LP und der von Warner Special Products veröffentlichten CD! Was Sammler wie Kenner mindestens genauso faszinieren dürfte, sind die bislang nie veröffentlichen Outtakes der „Z.odJe-/“-Sessions und die frühen Demos von VU-Klassikern wie „All Tbmorrow’s Parties“, „Heroin“ und ,J’m Waiting For The Man“. Kaum zu glauben, aber hier zu hören: Der letztgenannte Drogensong war anfangs als muntere Country&Western-Nummer konzipiert! In den ausführlichen Liner Notes analysiert ROLLENfG STONE-Redakteur David Fricke angenehm sachlich und kundig, wie die total erfolglose Gruppe zur Legende werden konnte. Das üppig mit Fotos ausgestattete Booklet ersetzt kostspielige Devotionalien-Bildbände. Der Tod von Sterling Morrison hat weitere Wiedervereinigungen unmöglich gemacht, weshalb diese Sammlung nun die ganze Geschichte enthält Klar, daß man bei diesem Prestige-Projekt auch bei den Illustrationen – die wieder abziehbare Warhol-Banane inklusive nicht geizen mochte. 5,0 Mit staunenswerter, fast schon teutonisch zu nennender Gründlichkeit recherchiert, findet man auf dem 4-CD-Set “ The Immediate Years“ (Charly CDIMMBOX1) bis auf fünf rare Outtakes alle Aufnahmen, die die SMALL FACES jemals für das Label des berühmtberüchtigten Andrew Loog Oldham einspielten. Minutiös Song für Song kommentiert wird da die Karriere einer Gruppe, die Millionen für andere scheffelte, nur um zum Zeitpunkt ihrer Auflösung völlig pleite dazustehen. Unter den 86 Tracks findet man komplett das Immediate-Debüt-Album „Small Faces“, „Ogden’s Nut Gone Hake“ und „The Autumn Stone“, den Newcastle-Mitschnitt von 1968 sowie Unmengen von Studio-Raritäten, Remixes usw. Angesichts der passablen Überspielungen ist das hier das Set, das alle auf Vollständigkeit versessenen Small Faces-Fans neben den beiden Decca-CDs brauchen. 3,0 Die längst überfällige Retrospektive der kalifornischen Psychedelic-Folkrocker LOVE hat jetzt Rhino als Doppel-Set mit dem Titel ,JLove Story 1966 -1972″ vorgelegt (R2 73500/edel-contraire). Wobei Produzent Bill Inglot mal wieder die ersten beiden LPs ,£ove“ und ,f>a Capo“ unbedingt neu mono abmischen mußte, weil ihm das Ping-Pong-Stereo der Original-Produktionen restlos antiquiert erschien. Am Meisterwerk „Eorever Changes“ verging er sich allerdings nicht! Das ist hier komplett übernommen und ganz gefühlvoll derart nachentzerrt, daß es, wie auch spätere Arthur-Lee-Platten, unter dem Band-Logo Love nicht so „dünn“ und anämisch klingt wie zuvor auf diversen von Elektra und MCA vorgelegten CDs. Das mit Hendrix aufgenommene „The Everlasting First“ durfte natürlich nicht fehlen. Was Love seinerzeit mit der eingangs genannten Kultband verband, war die Tatsache, daß ihr Ruhm in Eingeweihten-Zirkeln im umgekehrt proportionalen Verhältnis zum in Dollar bezifferbaren Erfolg des Quintetts stand. 4,0 Bei der altehrwürdigen Firma RCA Victor scheint man die schlimmsten Sünden der Vergangenheit nun wirklich ernsthaft und tief zu bereuen. Anders ist es kaum zu erklären, daß es HARRY NILS-SONs Tribute-Opus „Mfcson Sings Newman“ (RCA54289-2) erstmals in fabelhafter Klangqualität auf CD gibt: diesmal vom Original und nicht von rauschender und übel verzerrender Kopie transferiert. Genau das – und erst in zweiter Linie die verwendeten 20-Bk-Wandler! dürfte auch der Grund dafür sein, daß es ab Japan-Importe die frühen EURYTHMICS-Platten „Sweet Dreams Are Made Of This“ (ARIS 272372), “ Touch“ (272382) und ,ße YounelfTonight“ r (272392) in soviel besserer CD-Überspielung als jemals zuvor gibt. Das klingt so optimal, als handle es sich um perfekte Remixes von den Multitracks! Und im Fall von Nilssons Randy-Newman-Interpretationen so hervorragend, daß niemand blindlings wetten würde, daß es sich um eine wertvolle Antiquität von 1970 handelt! 3,5 (für“SweetDreams“) bis 4,0 (für Nüsson und ,ße YoursdfTonight“) Bescheidenheit ziert angeblich. Trotzdem ist das SANTANA-Set ,J)ance Of The Rainbow Serpent“ (Columbia C3K 64605) mit den drei CDs in opulent aufgemachter Longbox und ebenso vielen Stunden Spieldauer seiner Häppchen-Philosophie wegen eher eine verplemperte Chance denn eine wirklich optimal realisierte Werkschau. Etliche der besten Platten („Catavanserai“ und „Lotus“ beispielsweise) sind gerade mal mit ein oder zwei Tracks repräsentiert, um nur ja auch Beispiele von Solo- und weiteren Band-Projekten des Gitarristen mitnehmen zu können. Und dabei leider auch die beiden dürftigen Aufnahmen mit John Lee Hooker. Ein Box-Set für Santana-Unkundige: Der Appetit aufs ganze Menü soll erst beim Kosten und Probieren kommen, 4,0