REPLAYS 2 :: von Bernd Matheja

Die lange überfällige Kompaktzusammenstellung mit Frühwerken ist da: „Detroit Breakoutl An Ultimate Anthology“ (Westside WESD 202) von MITCH RYDER & THE DETROIT WHEELS. Mehr als ein Jahrzehnt vor seinem in Deutschland losgetretenen Comeback war das Nebelhorn der beste, intensivste weiße R&B-Shouter der USA. Seine hochtourigen, mit Rock’n’Roll infizierten Ergüsse aus der Autometropole landeten in den amerikanischen Charts, diverse LPs und Singles erschienen – mit Schwitzern wie „Jenny Take A Ride“, „Devil With A Blue Dress On“, „Too Many Fish In The Sea“ sowie Standards à la „In The Midnight Hour“, „Walking The Dog“ und „Turn On Your Lovelight“. Dieser neue Doppeldecker ist mit 50 Tracks bis zum äußersten Rand gefüllt, enthält die Hits, rare B-Seiten und einen Radio-Spot: Ryder preist Jugendlichen die Vorzüge guten Benehmens (ein Schelm, wer dabei an den Spruch von Bock und Gärtner denkt!). 39 Titel wurden in ächzendem Mono belassen, was dem Überdruck der Vorstellungen zugute kommt. Eine Klasse-Veröffentlichung mit dampfendem Material aus den Jahren 1965 bis 1969. 4,5

Ein Leckerbissen für Instrumental-Fans ist „At Abbey Road“ von den SHADOWS (EMI 821 136). 23 Raritäten in umwerfender Qualität, darunter Original-Versionen von „Guitar Tango“ und „Atlantis“ (aber ohne Streicher/Bläser, die Shadows-Puristen oft abstießen!), tolle Alternativ-Fassungen von „Wonderful Land“ (mit leicht angezogener Handbremse) und „The Savage“. Streckenweise kaum zu glauben, mit welcher klanglichen Sauberkeit und Präzision unter den Simpel-Bedingungen der Frühsechziger in den seit 1931 bestehenden Studios aufgekommen wurde! 4,0

Die Mega-Boxen aus dem Hause Bear Family Records haben Zuwachs bekommen: „On The Continent“ (BCD 15903) von CLIFF RICHARD gehört zum Besten, was Firmenchef Richard Weize je losgelassen hat. Wie immer auf die beinharten Sammler gezielt, versammelt die opulente Kiste 102 Titel, für die im Original ein kleines Vermögen hinzublättern wäre: 58 Tracks in deutscher, 19 in italienischer, 13 in spanischer und 12 in französischer Sprache. Und einmal mehr sind’s die Beigaben, die keine andere Veröffentlichung zu Richard mehr toppen kann: eine Flexi-Scheibe, vor Urzeiten dem Magazin „OK“ beigeklebt, wurde auf CD umgehoben (Cliff im Interview), dazu die Hochglanz-Reproduktion des Starschnitts (!) aus „Bravo“ in Einzelstücken sowie ein 96seitiges Hardcover-Buch im LP-Format, das vor optischen Bonbons nur so strotzt (Single-Covers, Fotos, Repros von Original-Storys aus der Trivial-Presse). Die lückenlose Endlos-Discographie geht schon fast als Selbstverständlichkeit durch. Gewiß kein Projekt für die breite Hörerschaft, doch ein „Bringer“ für die Richard-Gemeinde und eine neuerliche Lehrstunde für alle, die sich mit Compilations beschäftigen (oder zumindest so tun). 5,0

TIM ROSE ist wieder aufgetaucht – der Folkie mit der Dröhnstimme, der es auf ganze sechs Longplayer in ca. 243 Jahren gebracht hat. Nick Cave soll eine neue CD mit ihm produzieren, da liegt Edles in der Luft. Bis dahin müssen sich die Fans von Mr. Rätselhaft mit einer „2 on 1“-CD begnügen: „Tim Rose“ (schon ’94 kurz im Handel gewesen) und „Through Rose Colored Glasses“ sind auf BGO Records unter der Katalognummer BGOCD 378 zu erwerben (3,0). Mit „Hey Joe“, dem überirdischen „Morning Dew“ und „Come Away, Melinda“ sind zwar Tims intensivste Duftmarken enthalten, doch können sie nicht über Schwächen (vor allem der damaligen zweiten LP) hinwegtäuschen. Den Jackpot knackt ohnehin erst, wer die Rose-Scheiben „Love – A Kind Of Hate Story“ (damals Capitol) und „Tim Rose“ (auf Vinyl: Playboy Records) erstmalig auf CD transferieren wird, denn dort sind „Heber“ in Serie vorhanden.

Streng betrachtet, war sie nicht mehr als eine 1962er-Momentaufnahme: LITTLE EVA, das wird (egal, was außerdem noch war) immer und ewig für „Loco-Motion“ stehen. Ein Fehler, denn außer diesem – in der Tat unsterblichen – Gassenhauer des Rock’n’Roll gab’s da schließlich noch die gleichnamige Super-LP und diversen Kleinkram. All das (29 Tracks) ist auf der CD „LLLLLittle Eva!“ (Westside WESM 512) zusammengekoppelt worden, die kompakter kaum hätte ausfallen können; nicht zuletzt eine Folge dessen, daß zwei Drittel des Materials aus dem Hause Goffin/King stammt (Achtung, Trivia-Fans: dort war Evchen Kindermädchen!). Auflegen, Augen zu – und schon laufen imaginäre Frühsechziger-Teenagerfilme durch den Kopf. Die zwischenzeitlich mal komplett verarmte Solo-Mutter von drei Kindern ist heute wieder aktiv und macht in Gospel. Für diese Top-Compilation: 4,0

Endlich gibt es (wieder) l:l-Umhebungen von MICHAEL CHAPMAN-Originalen, die einst als LPs auf Harvest im Handel waren. „Rainmaker“ (Repertoire REP 4679) und „Fully Qualified Survivor“ (WEP 4687; gab es schon mal, ist aber vergriffen) machen den Anfang, „Wrecked Again“ und „Window“ sollten unbedingt nachgeschoben werden. Der damals bereits knapp 30jährige kombinierte vorbildlich Puristen-Folk mit elektrischem Band-Sound und fügte stellenweise völlig unaufgeregte Weich-Streicher hinzu. Auffällig an Chapmans Eigenbauten: die Umsetzung mit einer Stimme, deren Nöl- und Nuschelfaktor mit „100“ noch zu niedrig angesetzt wäre, die trotz aller aufreizenden Trägheit nie an Schärfe und Sarkasmus verlor. Wenn der Mann aus Leeds zur Schicht rief, trabte selbstverständlich die Kollegen-Creme an: Mick Ronson, dem Clempson, Danny Thompson, Rick Kemp, Aynsley Dunbar und der kaum bekannte, grandiose Session-Drummer Barry Morgan. Michael Chapman zog sich übrigens nach dem Küssen eines Schafes eine schwere Infektion zu, von der er sich kaum erholte. Kurios und traurig. 4,0 für „Rainmaker“, 4,5 für „Fully Qualified Survivor“.

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