Wichtiger als Whiskey

ENDLICH: IN CAITLIN Rose hat Nashville nach Jahren wieder eine junge Hoffnungsträgerin gefunden. Das Blöde ist bloß: Nashville weiß noch nichts von seinem Glück. Es sind nämlich bislang vor allem die Briten, die die Songwriterin und ihre Musik ins Herz geschlossen haben, aber auf eine wie auch immer geartete Romantisierung der Country-Metropole mag sich die 25-Jährige, die im halbwegs angesagten East End der Stadt wohnt, ohnehin erst gar nicht einlassen: „Nashville ist vor allem eine Industriestadt. Nur dass hier keine Autos gebaut werden, sondern Country-Karrieren. Man darf sich Nashville aber nicht so vorstellen wie New Orleans, wo wirklich an jeder Ecke Musik gemacht wird. Hier geht es ums Business.“

Sie muss es wissen: Caitlin Rose ist die Tochter zweier nicht unbedeutender Strippenzieher im kommerziellen Country: Mutter Liz wirkt als Grammy-gekürte Liedautorin für den erfolgreichen, mittlerweile auch von Altvorderen wie Neil Young geschätzten Teenstar Taylor Swift, während Vater Johnny B. Rose sich um Verkauf und Marketing von Countrymusik für Labels wie Dreamworks und Capitol kümmert. Man könnte meinen, Caitlin hätte von diesen Kontakten profitiert, doch das weist sie energisch von sich: „Meine Art von Musik ist in dem Bereich, in dem mein Vater arbeitet, nicht vermarktbar. Zum Glück. Aber wir singen ab und zu miteinander.“ Mit ihrer Mutter wiederum treffe sie sich gelegentlich, um ihr neue Songs vorzuspielen, erzählt die ebenso selbstbewusste wie freundliche Kettenraucherin. Ein großer Taylor-Swift-Fan sei sie allerdings nicht.

Wie auch: Caitlin Roses eigene Songs spielen eher am zerschossenen Ende der Countrymusik, dort, wo sich Merle Haggard, Hank Williams und Gram Parsons bei einer Flasche Bourbon dunkle Gute-Nacht-Geschichten zuraunen. „Own Side Now“, ihr grandioses Debütalbum, war eine honigsüß gesungene Sammlung todtrauriger Songs über miese Ex-Freunde, einsame Nächte und die einzigen treuen Begleiter: Zigaretten und Alkohol. Inzwischen sei sie aber einige Schritte weiter: „Ich habe diese Songs drei Jahre lang gesungen. Es ist so viel Schmerz in diesen Liedern, dass es schwerfällt, auf der Bühne Spaß zu haben. Wenn du aber drei Jahre nur tourst, bist du darauf angewiesen, Spaß zu haben. Ich bin einfach froh, mich weiterentwickelt zu haben. Ich glaube, wenn man sich innerhalb von drei Jahren nicht weiterentwickelt, läuft auch etwas grauenhaft verkehrt.“

Für ihr neues Album, „The Stand-Ins“, wählte Caitlin Rose daher auch einen anderen Ansatz: Statt ihren Schmerz ungefiltert in die Songs einfließen zu lassen, vertraute sie mehr auf Storytelling und Rollen-Songs. Eine weitere Veränderung: Für „The Stand-Ins“ band Caitlin Rose andere Musiker -darunter Gary Louris von den Jayhawks und die Felice Brothers – deutlich mehr in den Songwriting-Prozess ein als noch beim Vorgänger. Rose: „Es muss Spaß machen. Wenn wir schreiben, ist das immer gleich: Wir machen eine Flasche Bourbon auf und los geht es. Noch wichtiger als Whiskey ist eigentlich nur Humor. Du kannst den besten Songwriting-Partner der Welt haben: Wenn kein Humor im Raum ist, kann nichts entstehen.“

Auch wenn Roses Texte auf dem neuen Album weniger selbstzerfleischend ausgefallen sind, haben ihre Kompositionen und die bald sarkastischen, bald rührenden Geschichten über zerdepperte Beziehungen und angeschlagene Egos nichts an Faszination eingebüßt. Zudem lässt die Sängerin inzwischen auch Einflüsse aus anderen Genres in ihren warmen Country-Pop einfließen: Soul, Byrds-Jangle, Ragtime, Tom-Petty-Autofahrrock und Linda-Ronstadt-Pop. Ihre größte musikalische Liebe neben Country aber bleibt erstaunlicherweise der Punkrock: „Als ich 16 war, habe ich mich extrem gegen dieses ganze Country-Zeug gewehrt – kein Wunder bei meinen Eltern! Stattdessen habe ich Bikini Kill und die Ramones gehört.“

Ihre Liebe zur Countrymusik entdeckte sie erst, nachdem sie eine Coverversion der Mountain Goats von Merle Haggards „I Think I’ll Just Stay Here And Drink“ gehört hatte. „Aber ich bin immer noch großer Punkrock-Fan“, beeilt sie sich zu versichern. „Country und Punk haben so viel gemeinsam: Man braucht nur drei Akkorde, und die Texte ähneln sich letztlich auch.“

Zu Hause ist sie heute nur noch selten. Manchmal aber, wenn ihr langweilig ist, organisiert Caitlin Rose in ihrer Lieblingsbar Dino’s spontane Sessions, zu denen neben Freunden aus lokalen Bands auch ihr Vater gelegentlich kommt.“Wichtigtuer haben Hausverbot an diesen Abenden. Ich kann keine Selbstdarsteller leiden. Es geht einfach nur darum, zusammenzusitzen, zu trinken und Songs zu spielen.“ Keine Frage: Bald wird Nashville wissen, was es an Caitlin Rose hat.

TOTE BLUMEN UND EINE ROSE

Caitlin Rose begann ihre Karriere schon sehr früh. Seit ihrem Debütalbum von 2010 ist sie Kritikerliebling und Country-Hoffnung

Caitlin Rose kam am 23. Juni 1987 in Dallas, Texas als Tochter zweier Country-Songwriter zur Welt. Als sie sieben war, zog die Familie nach Nashville, bald darauf trennten sich die Eltern. Zu Beginn ihrer Karriere arbeitete Rose unter dem Namen Save Macaulay, den sie aber 2008 zur Veröffentlichung ihrer ersten

EP „Dead Flowers“(inklusive ihrer Interpretation des gleichnamigen Rolling-Stones-Songs) aufgab. Ihr Debütalbum „Own Side Now“, das neben eigenen Songs das Fleetwood-Mac-Cover „That’s Alright“ enthält, wurde vom „Time Magazine“ zu einem der wichtigsten Alben des Jahres 2010 gewählt.

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