REPLAYS 2 :: von Bernd Matheja

Mehrfach verschoben (siehe RS 5/98), jetzt endlich da: „The Philosopher’s Stone“ (Polydor 531789) von VAN MORRISON. Streng genommen gar kein Re-release, denn nichts von den 30 Doppel-CD-Tracks (152 Minuten Laufzeit) hat es in dieser Form jemals auf offiziellen Veröffentlichungen gegeben. Alle acht bekannten Titel, darunter Joyous Sound“, „Flamingos Fly“, „Wonderful Remark“ und das epochale „For Mr. Thomas“ erscheinen hier in klar besseren, weil intensiveren und teilweise erheblich veränderten Fassungen. Und was Morrison darüber hinaus aus dem Archiv gefischt hat, ist ebenso umwerfend: „Crazy Jane On God“, „Contemplation Rose“, „Song Of Being A Child“ (mit June Boyce), „Laughing In The Wind“ (mit Jackie de Shannon). Van bleibt fast durchgehend auf der ultimativen Kriechspur, stellt intimen Bar-Blues neben irische Folklore, nach innen gekehrte Ergüsse wie „Showbusiness“ (9:19) oder „Try For Sleep“. Dazu gibt es schmissigen Harmonika-Blues („Don’t Worry About Tbmorrow“), ein funkiges „Naked In The Jungle“™ Das chronologisch sortierte Repertoire – und das setzt diesem Projekt die Krone auf – reiht sich Stück für Stück fugenlos aneinander zeigt beeindruckend die Entwicklung des Noidiren zwischen 1971 und 1988. Keine Frage, dieses Ausgrabungs-Monster könnte glatt als neue Scheibe durchgehen – was Morrison im Keller hat, werden 10 000 Kollegen ihr Leben lang nicht aus der guten Stube anbieten können. 4,0

Und für Sammler, die möglicherweise enttäuscht sind, bleibt weiter die Hoffnung, irgendwann vielleicht doch noch seine nur auf Vinyl vorhandenen „rare tracks“ – wie „Mechanical Bliss“, „Caledonia“, „You Got The Power“, „What’s Up, Crazy Pup“ und andere – auf CD zu bekommen. Einmal quer durch die Karriere, das sind die wünschenswertesten Kopplungen, die aber aus rechtlichen Gründen viel zu oft nicht zustande kommen.

Das australische Raven-Label hat’s wieder mal gepackt: DEL SHANNON, bislang mit seinen Werken über diverse Anbieter verteilt, wird mit einer ausgezeichneten“Compfae CareerAnthofogy 1961 – 1990″ gewürdigt (Raven RVCD 51; als Direktimport im Handel). Das SBM-„Entstaubungsverfahren“ hat 56 Tracks und einen Werbespot (mit den Royaltones, von 1965) klanglich auf Vordermann gebracht, unsterbliche Hits wie „Runaway“ auch in der 67er-Fassung sowie der TV-Serien-Version vorhandenen -, „Keep Searchin'“, „Hats Off To Larry“, „Little Town Flirt“, „Stranger In Town“ und „I Go To Pieces“ wurden in echtem Stereo beigemischt. Shannons schändlich unterschätzte Spätwerke „Drop Down And Get Me“ und „Walk Away“ sind mit ausreichend gepickter Ware vertreten („Cheap Love“, „Sea Of Love“, „Calling Out My Name“). Ein randvoller Doppeldecker, Top-Sound, informatives Booklet, dafür gibt die German Jury glatt. 5,0.

Als wäre es – bestenfalls – vorgestern gewesen: EDDIE AND THE HOT RODS, Grenzgänger auf dem Grat zwischen absterbendem Pubrock und aufblühendem Qualitäts-Punk, schüttelten 1978 ihr rotziges LP-Debüt aus dem ArmeL „Teenage Depression“ (lange vergriffen, jetzt als Edsel EDCD 563 wieder da), war lautes, rock’n’rolliges Störfeuer für eine schläfrig und lethargisch gewordene UK-Szene; gemischt aus eigenen Ergüssen und adrenalinhaltigen Cover-Versionen der Who, von Sam Cooke und Joe Tex. Mit lediglich elf Titeln (l:1-Übernahme) bleibt die Scheibe extrem kurz. Im Gegensatz zu vielen anderen Wiederveröffentlichungs-Firmen fahrt Edsel konsequent die Linie werkgetreuer Überspielungen – Ansichtssache, und 3,0 für dieses 22 Jahre alte, quicklebendige Feuerwerk der Typen von Canvey Island.

1968 wußten nicht einmal die Mitglieder von Q 65 so genau, ob es ihre Band noch gab oder nicht Die Nachfolge-Combo Circus ging ebenfalls über die Wupper, es gab aber noch Material von beiden Kapellen. Aus diesem mittleren Chaos entstand „Revival“ (Pseudonym CDP-1048), ein Zehner Pack, das die alten R&B-Rohlinge mit leicht psychedelischer Melange zu kombinieren versuchte. Durch das Anhängsel in Form von sieben frühen Bonus-Tracks (Single-B-Seiten und EP-Titeln) schlägt das Pendel jetzt wieder verstärkt in Richtung Garagen-Rock aus. Die schoddrigen Niederländer haben damit sich selbst und ihrer Fan-Gemeinde einen guten Dienst erwiesen. Trotz einer gewissen Gleich-förmigkeit sind 3,0 guten Gewissens zu verantworten.

Obskuritätenkiste, gaaanz unten: MANDO & THE CHILI PEPPERS, eine mexikanisch-texanischer Fünfer aus den späten 50er Jahren. „On The Road With Rock’n’Roll“(Ace CDCHD 683) ist auf Vinyl so etwas wie eine Bonsai-Mauritius, von den jetzt auf CD angehängten Singles ganz zu schweigen. R&B der Marke New Orleans, Tex-Mex-Einflüsse, straighter Rock’n‘ Roll, eine Prise Sumpfiges – aus diesen Zutaten wurde das existierende Material zusammengestellt. Kundige Entenschwanz-Archivare werden das Wetterleuchten in den Augen kriegen (nicht zuletzt wegen der mega-klassischen Verpackung), für Normalverbraucher dürfte der Himmel wohl eher nicht gleich einstürzen. Darum angemessene 2,5.

Sänger mit ungekünsteltem „Shouter“-Format gibt es heute kaum noch, und selbst Mitte der 70er Jahre waren sie eher spärlich gesät. Eimer Gantry von Stretch war der Prototyp, der kommerziell jedoch ebensowenig Erfolg hatte wie Kollege JESS RODEN. Schon beim Alan Bown Set, bei Bronco (noch immer nicht auf CD im Angebot!) oder der Butts Band nicht mit Talern gesegnet, versuchte sich der Engländer ab 1974 mit einer eigenen Kapelle. „Play It Dirty, Play 1t Class“ (Edsel EDCD 567) von 1976 stemmte sich mit Macht gegen den grassierenden Giganto-Trend; mit souligem Bluesrock (Blech satt), in funkigen Arrangements, mit Intensiv-Balladen und dieser mächtigen Rost-Stimme. Doch die schweißtreibenden Bemühungen blieben vergeblich: Live immer wieder gern genommen, als „recording artist“ auf den Hund gekommen. Die alte Leier, es fehlte der Hängenbleiber, ein Hit, der für mehr Promotion gesorgt hätte. 1998er-Garantie: Diese acht Tracks sind noch heute durchweg hörenswert wenngleich sie – zugegeben – niemanden unbedingt vom Hocker reißen (3,0), da kann der gute Mensch noch so heftig singen.

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