REPLAYS 2 :: von Bernd Matheja

Von ihm stammt das „Hey Joe“-Arrangement, das Jimi übernahm. Er schrieb die zerbrechliche Ballade „Come Away Melinda“. Und seine eigene Alterversicherung vom immer wieder gecoverten „Morning Dew“. Doch TIM ROSE glänzte auch und erst recht Anfang der 70er Jahre. Jetzt endlich sind seine Top-Alben „Love (A Kind Of Hole Story)“ und „Tim Rose“ (ohne Kürzung) auf einer CD untergebracht worden. Der landflüchtige Amerikaner spielte beide Scheiben in England ein (mit Höchstkarätern wie Herbie Flowers (Baß) und Drum-Urgestein Clem Cattini, mit den Keyboardern Alan Hawkshaw/Gary Wright; und einem Mick Jones, der Gitarre spielt, wie er es später bei Foreigner nie mehr durfte. Rose, stimmlich ausgestattet mit der verletzlichsten aller Grizzly-Röhren, komponierte ein mit Glanzlichtern gespicktes Repertoire. Und scheinbar ausgelutschte Gassenhauer wie „If I Were A Carpenter“, „Where Do You Go To, My Lovely“ und „Sympathy“ versah er mit intensiven Gefühlsimplantaten, machte sie wieder anhörbar. Highlights aus eigener Werkstatt: „Dim Light A Burning“ (im Konstrukt ein Hauch von „Morning Dew II“), „Goin‘ Down In Hollywood“ und die final verrottete Beziehungskiste „I Know These Two People“. Dazu kommen die Depri-Pretiosen „Sad Song“ (genial: Flowers/ Cattini!) und „Darling, You Were All That I Had“. Eine CD, die felsenfester Eckpfeiler des Kult-Status ist, den der Dylan-, Hardin- und Buckley-Zeitgenosse aus dem Greenwich Vülage mit Fug und Recht genießt. Zwei, drei durchschnittliche Rock-Titel stören die (neue) Titelabfolge nicht die Bohne. Ein digitales Remastering, das allerdings hätte dieser Scheibe mit Sicherheit gut getan – dafür minimalen Abzug („Hide Your Love Away“, Flying Thorn MMR 700/Contraire; 4,0).

Rose-Trommler Cattini, inzwischen 61, war schon über zehn Jahre zuvor erfolgreich aktiv in der Truppe, die Weltraumklänge in einem Schlafzimmer-Studio (!) bastelte. Die TORNADOS, vom Producer-Genie Joe Meek „erfunden“, lieferten bis Mitte der 60er Jahre Orbitales aus dem Baukasten, landeten 1962 mit „Telstar“ nahezu weltweit einen der resistentesten Instrumental-Ohrwürmer überhaupt Auf der Doppel-CD „The Complete Tornados“ (Repertoire REP 4708; 4,0) ist mit 55 Tracks der Gesamtausstoß der Briten enthalten, den Cattini im KlasseBooklet Stück für Stück erläutert: Band-Story, Discographie, Cover-Repros, seltene Fotos (super: das 2×2-Meter-Studio!) – alles paßt Diverse halbgare Gruppen-CDs können auf den Müll. So können und sollten echte Top-Compilations aussehen.

Produkte des englischen Music Club-Labels waren in diesen Breiten lange nur zufällig erhältlich, jetzt gibt es einen festen Importeur. Gut so, denn neben eher unspektakulären Veröffentlichungen finden sich im reichhaltigen Angebot immer wieder empfehlenswerte, preiswerte Einzelstücke. Ganz neu darunter ist „All Time Highs“ (MCCD 324/Contraire), eine Spitzenzusammenstellung des Materials der 13TH FLOOR ELEVATORS mit dem Guru-Gitarristen Roky Erickson. Gruppiert um den Psychedelic-Brecher „You’re Gonna Miss Me“, finden sich weitere 19 Titel von den drei maßgeblichen Originalalben der leicht abgedrehten Combo aus denjahren 1967 bis 1969 (keine Obskur-Einspielungen!). Eine Ladung Schroff-durchgeknalltes in Reinkultur, die nachhelfende Chemie tropft 77 Minuten lang aus allen Poren. 4,0 für beinhartes bis schrilles Hirn- und Bauchgut aus Kalifornien.

Aufmerksamkeit aus dem Back-Katalog des Labels verdient ebenso „The Best Of BLUE MINK“ (MCCD 117); Ausgesuchtes von einer Gruppe, deren Arbeiten man bis dato auf CD lange suchen mußte. Zum Personal gehörte auch hier Edel-Bassist Herbie Flowers, ferner die guten Vorsänger Madeleine Bell und Roger Cook, der mit seinem komponierenden Dauerpartner Roger Greenaway auch das Gros der Songs besorgte, von denen immerhin sieben zwischen 1969 und 1973 in die UK-Charts vorstießen, u. a. „Melting Pot“, „Good Morning, FreeVON BERND MATHEJA dom“ und „Banner Man“. 3,0 für gutartigen Multi-Kulti-Pop der Frühsiebziger.

Rar und gut, das ist bekanntlich gar nicht so selbstverständlich im Reissue-Geschäft. Eine der wenigen Ausnahmen heißt JASON CREST, eine UK-Kapelle der Mittsechziger, deren fünf Singles auf Fontana (eine komplette LP kam leider niemals auf die Schiene) einen Riesensack Deutschmarks kosten. Auf „Collected Works Of Jason Crest“ (3,0; Wooden Hill WHCD 006; unter anderem über Milestone Mailorder, Telefon 040/552 46 80) präsentiert sich mit insgesamt 15 Titeln eine flowerig-psychedelische Band, die’s gern gemächlicher trieb. Viel Wimmerorgel, Phaser, ansprechende Melodien (alles typisch fürs musikalische England des Jahres 1968. Stilistische Verwandtschaft besteht etwa zu Procol Harum, Tomorrow und mellotronigen Moody Blues. Kurios: „Waterloo Road“, die vierte Single der Gruppe, wurde ein Riesen-Hit auf dem Euro-Festland (in französischer Sprache: „Oh, Champs Elysee“ von Joe Dassin.“

Gesang bei den Nice, das hatte immer auch etwas von Höchststrafe. Daß der Ausfuhrende, Bassist Lee Jackson, auch ganz anders konnte, bewies er mit seiner eigenen Folge-Band JACKSON HEIGHTS. Deren 1970er-Debüt „King Progress“ feiert jetzt CD-Premiere (Repertoire REP 4714), und was für eine: Berge akustische 6- und 12string-Gitarren, subtile Lead-Einschübe, beschaulich-intimes Songmaterial (top: „Since I Last Saw You“, „Insomnia“). Trotz des Titels und der Entstehungszeit ein erzkonservatives, in sich geschlossenes Stück luftig gebauter Musik mit viel Liebe zum Detail. Wer diese 4,0-Scheibe rausbringt, sollte sich auch um die nicht unverwandten, immer noch auf CD fehlenden Alben von Graham Bell, Bell & Arc und Every Which Way kümmern…

RAINBOW FFOLLY, „Sallies Fforth“ (See For Miles SEECD 493/TIS). Rainbow wer? Die einzige LP dieser Briten-Band steht bei Psychedelic-Sammlern hoch im Kurs. Mit einem Bonus-Track versehen, ist sie noch heute ein Top-Beispiel dafür, was um 1968 alles aufVinyl möglich war: verrückter Name, mega-schrilles Cover, stilistisch ein Mischmasch aus Flower Power, kleinen Vaudeville-Partikeln, Folk-Elementen, Bluegrass-Banjo und Scherzen, live kam die Combo allerdings besser als auf diesem bunten Teller, der auch heute kaum mehr als 2,0 hergibt.

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