Replays 2 von Bernd Matheja
Unnötig sind Kommentare zu dem epochalen „Bitches Brew“ von MILES DAVIS. Die Arbeiten im Umfeld des Meisterwerks (1969/ 70) sind nun in der vorzüglich ausgestatteten 4-CD-Box „Bitches Brew -The Complete Sessions“ (Columbia/ Sony C4K65570) versammelt, viele davon bisher unveröffentlicht. Wayne Shorter, Herbie Hancock, Joe Zawinul, Chick Corea und John Mc-Laughlin waren natürlich nie besser als in den Diensten des Hexenmeisters, bei dem „Fusion“ zu einer metaphysischen Angelegenheit wurde. Olympisch. 5,0
Das so wunderbare Debüt-Album „Rattlesnakes“ katapultierte LLOYD COLE 1984 unter die größten Songschreiber. Der Fluch frühen Ruhms: Cole reichte nie wieder an diese Leistung heran. „The CoUection“ (Mercury 538 104 2) bietet nur einen Abglanz seines Könnens – die ersten Jahre mit den Commotions und die mäßigen späteren Solo-Aufnahmen in einer nicht zwingenden Zusammenstellung. 3,5
In der Abteilung Weichpop der Sixties waren sie stets auf der Loser-Seite, obwohl sie viel, viel Besseres verdient gehabt hätten: HONEYBUS, die englische Band um den überdurchschnittlich begabten Songschreiber Peter Dello (geb. als Peter Blumson), der genau wie sein Partner Ray Cane diverse, komplett unterbewertete Perlen vors Publikum rollte. Doch nur „I Can’t Let Maggie Go“ wurde 1968 mit einem Platz 8 in den UK-Charts belohnt. „The Honeybus Story“ (Repertoire REP 4733; 25 Tracks) bietet mindestens 80 Prozent erstklassige Pop-Ware, mal im melodiösen Beatles-Fahrwasser, mal in Form von leicht blumiger Leichtbau-Psychedelia in ganz typischen 1967er-Konstruktionen. Die extrem seltene „La cicogna a /“Chi sei tu“-Single in italienischer Sprache rundet diese CD ab, die unbedingt einen konzentrierten Hörversuch wert ist. 3,0
Das SIR DOUGLAS QUINTET mit seinen rund 374 verschiedenen Besetzungen muß täglich ungefähr 31 Stunden Studio- und Live-Aufhahmen gemacht haben. Anders sind die wahren Berge zeitlich kaum noch einzuordnender Veröffentlichungen nicht erkläbar; eine wirklich gescheite „Best Of-Zusammenstellung mit allen wichtigen Original-Einspielungen jedoch gibt es – vielleicht mal wieder aus rechtlichen Gründen? – nirgends. Die neue Doppel-CD „The Crazy Cajun Recordings“ (Edsel MEDCD 599) präsentiert gleich 41 4,0-Titel, die laut Booklet irgendwann zwischen 1965 und 1977 entstanden sein sollen. Genaueres weiß leider nicht einmal die Plattenfirma. Auch ohne die Combo-Klassiker „Mendocino“, „Dynamite Woman“ und „At The Crossroads“ regiert hier die pure Texmex-Spielfreude mit dudelnder Kirmesorgel und pumpendem Rhythmus. Was genauso für „The Hacker“ gilt (angebliches Baujahr: 1977; Edsel DIAB 880): zehn Songs von Band-Chef Doug Sahm und diversen Freunden sowie zehn weitere Einspielungen von einem völlig unbekannten Trompeter namens Don Goldie. Er tutete ebenfalls 1977 einige Eigenbauten in die Gegend und ersetzte mal eben auf einigen Sir-Douglas-Tracks wie „Blue Norther“ (Vorsicht, instrumentaler Ohrwurm!) oder „We’ll Take Our Last Walk Tonight“ den Gesang durch Latino-Gebläse. 3,0 für eine letztlich doch reichlich obskure Angelegenheit.
Für Freunde der britischen Frühsechziger gibt es jetzt erstmalig „The Complete Heinz“ (Repertoire REP 4718), 44 Songs, verteilt auf zwei CDs im schmalen Pappschubet Nein, kein Werbesong-Sortiment des Ketchup- und Saucenabfüllers. Der Interpret: HEINZ, wasserstoffblond, ein gebürtiger Deutscher mit Nachnamen Butt, englischem Wohnsitz – und dem Renommee, zum Instrumental-Hit „Telstar“ (Tornados) den Baß beigesteuert zu haben. Der Teenie-Schwarm versuchte sich anschließend als Solist und kam sogar fünfmal in die UK-Charts. Sein größter Treffer: Just Like Eddie“, eine gemäßigt rock’n’rollige Verbeugung vor einem gewissen Mr. Cochran. Gegen den nachdrängenden Beat, gegen R&B und Pop kam Heinz, der heute krank im Rollstuhl sitzt, allerdings nie mehr entscheidend an. 3,0
Selbst die späte(re)n Arbeiten von RORY GALLAGHER boten fast durchweg ein stets gleichbleibend solides bis gutes Bluesrock-Niveau. Dies gilt für die 3,0 -Reissues „Against The Grain“ (Capo 107/RCA), „Top Priority“(Capo 110) und „Defender“ (Capo 113), die jetzt mit dem zweiten Wiederveröffentlichungshieb in restaurierter Form erschienen sind. Die beiden Höhepunkte aber bleiben „Live In Europe“ (Capo 103; 4,0 ), ein explosiver Mitschnitt von 1972, und „Rory Gallagher“ (Capo 101), das Solo-Debüt des 1995 bei einer Operation verstorbenen Spitzengitarristen. Hier mischte der Ire so unaufdringlich wie perfekt knochentrockenen Blues, kantigen Rock und sogar ganz leicht jazzige Passagen. Außerdem blieb er dabei – wie schon einige Jahre zuvor bei Taste -, die akustische Gitarre als festes Element in seine Sets zu integrieren, und machte sie in diesem Genre damit überhaupt erst hoffähig. Und ein LP-Debüt mit der herrlichen Textzeile „What do you think ofthat: I’m sleeping down in the laundromat“ zu beginnen, das verdient ohnehin nichts als Zustimmung und 4,5. Alle fünf CDs (zum Midprice!) kommen mit jeweils zwei Bonus-Tracks, sämtlich in Top-Qualität.
Zwei Zeitgenossen Gallaghers waren ALVIN LEE und FRANKIE MILLER. Wer sich mit den Solo-Scheiben des Ex-Gitarristen von Ten Years After anfreunden möchte, muß den eher puristischen Sound von Lees alter Band vergessen, sonst wird das nichts. Auf „Let It Rock“ (Repertoire REP 4704), „Freefall“(RH> 4705) und Jfc5″(REP 4706) läßt der Flitzefinger zwar noch immer seine handwerkliche Klasse aufblitzen, doch ist das stilistische Spektrum breiter und damit nicht immer unbedingt hand- und standfest. Trotz so renommierter und hochkarätiger Assistenten wie etwa Chris Stainton, Mickey Feat, Zoot Money, Alan Spenner, George Harrison und Jon Lord erreicht Lee nur bedingt die Dichte und Intensität früherer Jahre. 3,0 für alle.
Mit „Fallingln Love“-US-Titel „Perfect Fit“ – lieferte Frankie Miller 1979 sein bis dahin kommerziellstes Album ab; und das nicht nur, weil es mit „Darlin“ und „When Fm Away From You“ zwei Hits enthielt 3,0 für Repertoire REP 4730.