Replays 2 von Bernd Matheja

Durch Pipifax-Liedchen geriet sie in eine unverdiente Seicht-Abteilung: Marie McDonald Mc-Laughlin Lawrie, besser bekannt als LULU. „From Crayons To Perfume“ (Rhino R 71815) räumt mit dieser eindimensionalen Sicht auf. 20 treffsicher ausgewählte Tracks beweisen, was die Dame wirklich konnte: wilden Rhythm’n’Blues, monströse Wucht-Balladen, Souliges. Sie interpretiert David Bowie, Tim Rose, Neil Diamond und Harry Nilsson – und wird von Top-Produzenten wie Jerry Wexler, Mick Ronson und Mickie Most auf die korrekte Schiene gebracht. 4,0

Ein stilistischer Kramladen der sehr sinnvollen Art sind die „Instrumental Nuggets, Vol. 1“ (Repertoire REP 4330). 25 Gassenhauer „Mensch, wie hieß noch der Interpret?“ – von sprachlosen Kapellen aus den USA, England, Frankreich und Dänemark sind im Angebot. Diverse Titel gab’s bisher nirgends auf CD – und wer würde sich auch schon einen Komplett-Teller von Sir Henry &His Butlers („Camp“) antun wollen? Eintagsfliegen wie „Groovin‘ With Mr. Bloe“, „I Will Return“, „Flash“, „Popcorn“ und „Rover’s Return“ stehen neben Klassikern wie „Let There Be Drums“, „Tequila“ oder „Wade In The Water“. Nützliches Teil – sei’s zur Erinnerung oder zum Vertonen von Vatis erstem Videofilm. 3,0

Aus der englischen HARDIN 6 YORK-Reihe stammt „Live At The Marquee“ (RPM 135), ein nie zuvor veröffentlichtes Konzert vom 15. Mai. 1971 mit den Gästen Ray Fenwick (Gitarre), Will Tomson (Baß) und Keef Hartley (Schlagzeug) auf zwei der insgesamt nur vier Tracks. Definitiver Höhepunkt ist das mehr als halbstündige „The Pike“. Holzorgel-Blues und -Jazz der appetitlichen Sorte, die „Freedom Suite“ enthält als Bestandteil Dylans „Like A Rolling Stone“. 3,0

Sau drauf (auf dem Cover), Sau drinnen (auf der CD): „Volume 1“ von INCREDIBLE HOG (Repertoire REP 4511) ist verspäteter London-Blues-Rock, Baujahr 1973. Ein Bolz-Trio mit erheblichem Inspirations-Manko, irgendwo zwischen Edgar Broughton und Agnes Strange herumkrachend. Dank zweier hübscher Balladen noch 2,0.

Für Progressive-Fans wahrer Ohren-Balsam ist hingegen „Contrasts“ des Waliser Quartetts BLONDE ON BLONDE (Repertoire REP 4521). Auf knapp 47 Minuten ballen sich Druck-Rock, Verspieltes mit Kornett, Lure, Cembalo und Flöte sowie Halb-Akustisches in bester Tradition der späten Sechziger. Und: Das alles paßt auch noch zusammen!

Aus heutiger Sicht etwas betagt, aber innerhalb der Progressiv-Szene ausgesprochen professionell und kreativ. Der Einzel-Song „Goodbye“ wäre als Kinks-Single ein Hit geworden. Bonus: A- und B-Seite der Debüt-Single von 1968. 4,0

Noch eine DEEP PURPLE-Kopplung? Ja, die wohl gelungenste. „Smoke On The Water/The Best Of (EMI France 8 30268 2) versammelt 18 Standards in knapp 78 Minuten und hat endlich „Hallelujah“ und „Child In Time“ zusammengebracht. Alle Kracher wie „Hush“, „Black Night“, „Burn“ und andere hinlänglich bekannte Songs sind vorhanden. Gleich zehnmal gibt es (nicht eben leicht zu findende) Single-Edits, „Speed King“ kommt ab holländische Alternativ-Single-Version. 3,0

Die Mehrzahl der bisherigen Sampler mit Songs der einmaligen SHANGRI-LAS taugen nichts: tontechnisch und in der Zusammenstellung. „Myrmidones Of Melodrama“ (RPM 136) hingegen ist pures Pop-Gold. Die überzüchteten, donnernden TeenageHeul-Hymnen wurde aufgepeppt und geradezu himmlisch kompiliert: 31mal schlägt das Trio tränenreich zu, inklusive zweier Verabredungs-Tips von Sängerin Mary Weiss. Frühsechziger-Schmelz zwischen Böller und Bonbon-Wasser. Genial! 5,0

„First Among Equals“ (Ice 941902) ist die bis heute umfangreichste Kopplung der Top-Watschenmänner der Swinging Sixties, THE EQUALS. Gleich 40 Humpta-Humptas setzt es hier en bloc. Bitter eigentlich nur, daß selbst bei diesem Umfang ein (deutscher) Hit vergessen wurde: „Help Me Simone“ nämlich. Dennoch: Das kaugummiartige Gebuffe ölt noch heute manche Sause. Und „I Can See But You Don’t Know“ beschert sogar psychedelisches Gesäge. Statt verkniffener Kompetenzmiene und arrogantem Naserümpfen gibt es besonnene 3,0.

Endlich mühelos auf dem deutschen Markt erhältlich ist „Taking Out Time 1967 -1969“ der SPENCER DAVIS GROUP(RPM 127). Nach Steve Winwoods Abgang (Bruder Muff ging gleich mit) stießen zunächst der Organist und Sänger Eddie Hardin sowie Ray Fenwick zur Band. Winwood selbst gründete bekanntlich mit Eric Clapton und Ginger Baker die „Supergruppe“ Blind Faith allerdings nur für ein Album. Das – bisher leichtfertig unterschätzte – Material seiner ersten Band umfaßt so exzellente Singles wie „Mr. Second Class“ und „Time Seiler“. Ferner dabei: die gesuchte, nur hierzulande erschienene Bemühung „Aquarius/Der Wassermann“. Bonbon obendrauf: Neun Titel der semi-obskuren amerikanischen LP-Veröffentlichung „Letters Front Edith “ (1969), von der nur rund fünf Dutzend Test-Pressungen zirkulieren sollen. 4,0

Ein dringlicher Wunsch für 1995: Der neue Vertreiber des „Island“-Labels Phonogram muß schleunigst das frühe Spencer Davis Group-Material (mit Steve Winwood) in angemessener Form in Umlauf bringen. Die beiden einzig existierenden Katastrophen-Kopplungen gehören seit Jahren auf die Abraumhalden der Rockmusik.

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