Replays

Als JIMMY PAGE 1990 (mit Unterstüzung von Tonmeister George Marino) sämtliche Studioaufnahmen seines Quartetts klangtechnisch überarbeitete und das 4-CD-Set „Led Zeppelin“ umgehend zur meistverkauften Oldies-Box aller Zeiten wurde, ahnte er vermutlich nicht, welche Lawine er damit losgetreten hatte. Mittlerweile gibt es – mit Ausnahme der Beatles -von fast allen prominenten Bands der 60er und 70er Jahre mehrere, bisweilen sogar sämtliche Platten in komplett restaurierter zweiter, teils sogar schon (wie im Extremfall von Bob Dyans goldbedampfter ‚Blonde On Blonde‘-Edition) in fünfter CD-Neuausgabe. Von Allman Brothers und Fleetwood Mac bis zu Bob Marley und Pink Floyd reicht die Liste der Katalog-Dauerseller, die von Remastering-Spezialisten technisch überholt wurden.

Auch die WHO-Fans dürfen sich schon mal darauf einstellen, die CDs dieser Gruppe weitestgehend auszumustern: Innerhalb der nächsten zwei Jahre wollen MCA und Polydor alle Platten des Quartetts „Tommy“ und „Quadrophenia“ ausgenommen – in der jetzigen Form aus dem Verkehr ziehen und durch neue Versionen ersetzen. Die im Sommer 1994 veröffentliche 4-CD-Kompilation „Thirty Years Of Maximum R&B“(Polydor 521751-2) bot da nur einen kleinen Vorgeschmack.

Weniger großzügig als zunächst angekündigt werden nun auch die „Normal“-Ausgaben jener acht ROLLING STONES-Studioplatten von „Sticky Fingers“ bis „Tattoo You“ nachgereicht, die vor einigen Monaten in limitierter Auflage als Sammler-Ausgabe für Liebhaber in der Originalausstattung der LPs erschienen waren: Die versprochenen Bonus-Tracks, ausgewählt aus Studio-Outtakes der 70er Jahre, hält man nun lieber (für ein lukratives Box-Set?) unter Verschluß. Und weil im Rahmen der aktuellen Welt-Tournee Profitmaximierung angesagt ist, bleiben alle Stones-Silberlinge inklusive „Dirty Work“ und „Steel Wheels“ schön hochpreisig.

Zweimal Mini-Bonus gibt’s dann doch noch für Stones-Freaks. Die finden auf „Tattoo You“ den Song „Slave“ in anderthalb Minuten längerem Maxi-Mix und auf „Undercover“ eine bislang weder auf LP noch auf CD veröffentliche Version von „Slave“. In den zusätzlichen 39 Sekunden singt Keith Richards da eine ganze Strophe mehr, ohne daß das irgendwo vermerkt wäre. Ob’s überhaupt wer gemerkt hat? Offenbar hortet man im Archiv jede Menge Alternativ-Mixes und Outtakes.

Das tut sicher auch STEVE MILLER. Aber bei dem „Steve Miller Band Box Set“ (Capitol CDP 789826 2/US-Import) wollte er es leider bei drei CDs belassen, die er aus fast ausnahmslos schon veröffentlichtem Material zusammenstellte. Bei den wenigen unveröffentlichten Aufnahmen handelt es sich überwiegend um historische Kuriositäten und ganz gewiß nicht um künstlerische Offenbarungen/ Die dritte CD dieses Sets dokumentiert ausführlich die neusten Produktionen des wieder stark zum Blues tendierenden Gitarristen. Als Querschnitt durch ein Vierteljahrhundert Steve Miller Bands mit mehr als einem Dutzend verschiedener (!) Besetzungen ist die Box ganz passabel. „All The Hits & More“ wäre allerdings der passendere Titel gewesen.

Kein großer Hit, dafür ein ganz vorzügliches stark „countryfiziertes“ und teils mit denselben Session-Cracks wie Dylans „Nashville Skyline“ eingespieltes Album war „Number Five“ (Capitol CDP 829686 2) der Steve Miller Band. Womit seine Firma erfreulicherweise auch die vorletzte Lücke im Album-Repertoire des Gitarristen endlich geschlossen hat* ickll2 Praktisch zum selben Zeitpunkt, als Steve Miller mit „Fly Like An Eagle“ 1976 seine Megaseller-Jahre in die Gänge brachte, schaffte auch sein alter Kumpel BOZ SCAGGS den Durchbruch. Hit-Singles wie „Lowdown“ und „Udo Shuffle“ katapultierten das mit allen möglichen Produktionsfinessen wahrlich nicht geizende Album „Silk Degrees“ (Columbia CK 57205) in durchaus verdienten Platin-Status. Für die Neuüberspielung der jetzt von Sony vorgelegten Nobel-Ausgabe war derselbe Doug Sax zuständig, der seinerzeit schon den Lack-Umschnitt für die US-Pressung besorgt hatte. Wenn das neue Gold-Plättchen besser klingt als alle früheren CD-Versionen, dann einmal wegen des hörbar besseren Original-Master-Tapes und zum anderen deswegen, weil das Material sorgfältigst überarbeitet wurde von Mastering-Superstar Sax.

An Sonys 20 Bit-Prozeß namens „Super Bit Mapping“ liegt es jedenfalls auch im Fall von ROBERT JOHNSONS Jung Of The Delta Blues“ (Columbia CK 52944) nicht, daß dies alte Testament des Blues in der unlängst vergoldeten CD-Ausgabe besser klingt als auf seinen zum Bestseller avancierten „Complete Recordings“ der gleichnamigen Doppel-CD. Überspielt wurde hier nämlich ein zufällig neu im Archiv entdecktes Set von Azetaten (Anpressungen). Anstatt beim Transfer auf Digitalband die Höhen wegzurasieren und durch Entfernen von Knistern, Knackern und Rillengeräuschen die Aufnahmen klanglich zu Tode zu filtern, übernahm man den Uralt-Mono-Orginalklang 1:1 ohne Retuschen. Was in diesem Fall verdient.

Etwas übervorsichtig urteilte 1976 der Kritiker des ROLLING STONE, als er das Debüt der Schwestern KATE & ANNA MCCARRIGLE (WB 9362-45677-2) mit nur bedachte, während die gleichnamige Platte für das kritische Gremium des „Melody Maker“ ganz einfach Album des Jahres war – und für die „New York Times“ immer noch das zweitbeste von 1976! Für alle Folk-Freaks war das seither eine der „Platten für die einsame Insel“, also , während das ebenfalls vom Warner-Konzern wiederveröffentlichte – Nachfolge-Album „Dance With Bruised Knees“ (WB 7599-25958-2) mit keinesfalls überbewertet ist Produziert hat beide derselbe Joe Boyd, der Jahre zuvor die Aufnahmen eines vielversprechenden jungen Singer/Songwriters betreut hatte. Zu Kult-Status brachte der es allerdings erst Jahre nach seinem Tode. Auf die stolze Auflage von 15.000 LPs kam „Bryter Later“, das zweite und erfolgreichste Album von insgesamt drei Platten, die NICK DRAKE zu Lebzeiten einspielte. Wieso dieses Folk-Idol 20 Jahre nach seinem Tod auf viele nachgeborene Kollegen eine ungebrochene Faszination ausübt, macht nicht nur das 4-CD-Set „Fruit Tree“ sondern auch die von Boyd daraus getroffene Auswahl „Way To Blue“ (Island-BMG 74321 21325 2/ARIS) plausibel, obwohl die keinen „Best Of“-Anspruch erhebt Drake starb Ende November 1974 an einer Überdosis genau jenes Mittels, das seine Depressionen hätte lindern sollen. Will man sich bei der EMI endlich nun doch erbarmte, liegen nach der Wiederveröffentlichung von „Strictly Personal“ (Liberty 829 654 2) jetzt alle Aufnahmen von CAPTAIN BEEFHEART & His Magic Band auf CD vor. Das 1968 ursprünglich ab Doppelalbum geplante Projekt war eigentlich die logische Fortsetzung der Delta Blues/ Acid Rock-Anfange von „Safe As Milk“ gewesen. Doch dann verhunzte Produzent Bob Krasnow, der den Mann mit der Mundharmonika zum Underground-Superstar aufbauen wollte, das Ganze durch vielerlei aufgepfropfte psychedelische Effekte. Mit dem Ergebnis, daß Beefheart-Bewunderer John Lennon über Songs wie „Beade Bones’n‘ Smokin‘ Stones“ nicht allzu glücklich war. Immerhin spielte die Magic Band minus Ry Cooder wieder formidabel, und in dem Trümmerhaufen von Ideen findet man auch etliche bemerkenswerte Vor-Studien zu dem gut ein Jahr später vorgelegten Meisterwerk „Trout Mask Replica“.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates