REPLAYS1 :: von Franz Schöler

Eine Delikatesse für Soul-Fans: „Dave Godin’s Deep Soul Treasures Volume 1“ (Kent CDKE-ND 143/contraire) ist eine fast schon fanatisch recherchierte Anthologie, die 25 Aufnahmen von Interpreten präsentiert, die der Black-Music-Historiker Godin dem „Deep Soul“-Genre zurechnet. Da findet man – von Irma Thomas mal abgesehen – nicht einen einzigen der bekannten Interpreten, dafür jede Menge nur Eingeweihten geläufige Namen, die für eine radikalere, mehr dem Blues verwandte und in der Grundstimmung definitiv pessimistischere Variante der Soul Music stehen. Die unverwechselbare Ästhetik des „Deep Soul“ demonstrieren Songs, von denen viele tatsächlich übersehene oder verkannte Meisterwerke sind. Wie bei der Serie „The Golden Age Of American Rock’n’Roll“ findet man hier sehr ausführliche Liner Notes zu jedem Interpreten und jeder Aufnahme, so daß man sich nach der Lektüre beinahe als Kenner fühlen darf. 4,5

Das Sammlerteil für Reggae-Fans: BOB MARLEEYs „The Complete Wailm 1967-72 Part 1“ (Koch International/fAD Records JAD-CE-10-02), das die „mittlere“ Phase der Wailers dokumentiert, in der sie – produziert unter anderem von Johnny Nash, Leslie Kong und Lee Perry viele zunächst nur in Jamaika veröffentlichte Aufnahmen machten, die bei uns später weitestgehend nur auf obskuren Raubplatten zirkulierten. Neuerdings koscher in den Abbey Road-Studios restauriert, findet man hier viele frühe Originalfassungen von Songs („Bend Down Low“, „Nice Time“, „Stop The Train“ usw.), die Marley und die Wailers für Island in den definitiven Reggae-Fassungen aufnehmen sollten. Die klangtechnische Renovierung gelang ähnlich akzeptabel wie bei den Jamaika-Singles im Box Set von Peter Tbsh. Noch kommt dies in Kanada produzierte 3-CD-Set derzeit nur über spezialisierte Importeure ins Land. Nachforschungen lohnen dennoch. 3,5

Ein Teil, von dem man lieber die Finger läßt: die 2-CD-„Anthology“ von ALAN PRICE (Recal SMDCD 204). Das ist bei Songs u. a. von Randy Newman, der Komponist „unknown“, wurde im Zweifelsfall auch von Vinyl umgeschnitten, und die Herkunft mancher Aufnahmen ist mehr als dubios. Wis verärgert, denn eine Retrospektive, die dem „House Of The Rising Sun“-Arrangeur und AUround-Talent der Popularmusik endlich gerecht würde, fehlt immer noch. 1,0

Eine längst fällige Ausgrabung für Blues-Fans: FRED McDOWELLs „The First Recordings“ (Rounder CE 1718/in-akustik), ausgewählte 14 Aufnahmen aus den Sessions vom September 1959, bei denen Alan Lomax das große Slidegitarren-Original aus Komo, Mississippi, als erster überhaupt auf Band dokumentierte. Die meisten der Aufnahmen hier waren bisher nie veröffentlicht. Und daß der Mann mit dem unverkennbaren Bottleneck-Stil an diesen vier Abenden einige Songs musizierte, die er später nie wieder aufnahm, mindert den Sammelwert dieser CD auch nicht gerade. 4,5

Die von Sid Griffin für das Dop pelset „American Troubadour“ getroffene Auswahl dokumentierte weit überwiegend die späteren A & M-Jahre von Protest-Folkie PHIL OCHS. Wenige Monate später legt nun Rhino mit dem 3-CD-Set „Farewells & Fantasies“ (Elektra Traditions 0349-73518-2/TIS) den definitiven Werk-Rückblick vor. Neben frühen Demos (vormals unveröffentlicht) findet man auch eine „Best Of“-Auslese der ersten LPs für Eklektra. Und in sehr schöner Auswahl unter anderem auch etliche phänomenale, von Van Dyke Parks produzierte Aufnahmen, die natürlich weit komplexer arrangiert waren als die in ihrer Protest-Rhetorik schlichteren Lieder, mit denen Ochs eine Zeitlang Dylan den Rang als meistbewundertes Idol der Protestbewegung abzulaufen drohte. Die süperben Liner Notes vermitteln Nachgeborenen ein sehr plastisches Bild der weithin vergessenen Bürgerrechtsbewegungs-Ära. Ochs‘ Tragödie: In den politikverdrossenen Nach-Vietnam und Nach-Nixon-Jahren wollte ihn kaum mehr jemand hören. Dies opulente Box-Set befördert den Ochs-Kult nun auf ein neues Niveau. 4,5

Manche spontan zu Kult erklärte Platten haben die Jahre dann doch nicht so glorreich überdauert. Das erste und einzige Album des Quintetts THE UNITED STATES OF AMERICA (Edsel EDCD 541/contraire), knapp drei Jahrzehnte später nun erstmals auf CD wiederveröffentlicht, erweist sich beim Wiederhören als arg zeitgeistige „Sozialkritik“: Studenten-Kabarett als Elektronik-Prog-Rock. Die mit Violine, Baß und Ringmodulator gespielte Jugband-Music von „I Won’t Leave My Wooden Wife For You, Sugar“ entbehrt allerdings nicht einer gewissen Komik. 2,5

Wer die ersten drei Platten sowie die „Original Lost Elektra Sessions“ der PAUL BUTTERFIELD BLUES BAND eh schon besitzt, braucht sie vielleicht nicht: „An Anthology – The Elektra Years“ (Elektra62124-2/TIS). Wer diese Pioniertruppe des weißen Blues – die Herren Bloomfield, Butterfield, Bishop, Naftalin & Co. – allerdings nicht kennt, sollte umgehend die Anschaffung dieser superb zusammengestellten Doppel-CD mit 33 Aufnahmen erwägen. Die sind längst so zeitlos gut wie die von Little Walter, Paul Butterfields Idol. Schwachsinnig nur: Der Komponist der berühmten „Mystery Train“, von Elvis und vielen anderen gesungen, wird hier doch allen Ernstes „unknown“ genannt. 4,0

Absolut konkurrenzlos gut in der Song-Auswahl und Überspielung: „Sweeter Than Wim – The Very Best Of Jimmie Rodgers 1957 -1962“ (WestSide WESM 536/contraire). Merkwürdig nur: Obwohl er in besagten Jahren anderthalb Dutzend Hits in Großbritannien als auch in den USA landen konnte – perfekte Ohrwürmer wie „Honeycomb“, „Secretly“ oder „English Country Garden“ -, ist er irgendwie mehr in Vergessenheit geraten als der legendäre Country-Sänger mit genau demselben Namen. Der ist nämlich nahezu gar nicht in Vergessenheit geraten, obwohl er schon viel früher wirkte. 3,5

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