Roots von Jörg Feyer

Schmutzige Wäsche schärft bekanntlich den Blick fürs Wesentliche. Nach boulevardesk verzerrten Turbulenzen vermeintlich privater Natur bedankt sich WYNONNA in den Credits zu „Revelations“ (edel) denn auch bei „meinen Feinden“, die sich das Antlitz der Wahrheit erkennen ließen. Dem pompös-pathetischen Titel folgend, gospelt’s hier kräftigst in allen Schattierungen zwischen dirty R&B-Mama und geläutertem Erzengel. Bonnie Raitt oder Mariah Carey? Miss Judd kann sich nicht entscheiden und tischt nochmals den „Free Bird“ aus dem Hause Lynyrd Skynyrd auf. Dabei war einmal schon zuviel. 2,5

Die bessere Country-Platte kommt unterdessen wieder mal von PATTY LOVELESS. Ahnlich lange im Geschäft, konnte sich die Hofihungsträgerin aus der class af’86 erst nach ihrem Abgang bei MCA emanzipieren und zugleich kommerziell durchsetzen. Auf „The Trouble With The Truth a (Epk/SMlS) profitiert sie von ausgesuchten Song-Autoren (u.a. Richard Thompson und Jim Lauderdale) wie auch von der satten, aber nicht strikt konventionellen Produktion ihres Liebsten Emory Gordy, Jr. 3,5

Eine Hoffnungsträgerin im Country-Fever des letzten Genre-Hypes war auch JANN BROWNE. Inzwischen bei einem Nashville-Indie gelandet, nahm sie ihr drittes Album „Count Me In“ (Cross Three/Import) in Kalifornien auf, wo zwei Hightone-Gäste (Rosie Flores, Chris Gafihey) sowie Bakersfield-, Blues- und Bluegrass-Rudimente geschickt my wayto Country untergeordnet werden. Charmant und klassisch, zumal das Flair der Vokaüstin Browne auch kleine Schwächeanfälle der Songschreiberin wettmacht Warum nur redete ihr niemand das blöde Cover aus?

4,0

Auch nicht viel besser: die Hülle von RICOCHET (SMIS). Songtitel wie „From Good To Bad To Worse To Gone“ versprechen, als dieses Sextett aus Nashville überhaupt halten kann. 2,5

Aus unserer neuen Rubrik „Wenn Kanadier fremdgehen“: WYCKHAM PORTEUS zog es nach Austin, wo Kollege Jimmy LaFarve für „Looking For Ground“ (Bohemia Beat/Zensor) die Fäden zwischen Country-Waltz und erlesenem Songwriter-Rock zog. Das paßt prima, denn mit seinem reflektierend-poetischen, aber doch bodenständigen Stil ist das Nordlicht da unten im Südwesten gut aufgehoben. A Texan by heart sozusagen, der mild-sentimentalen Akustik-Love-Songs („3 AM“) ebensoviel abzugewinnen weiß wie dem distanziert-nüchternen Blick auf „This Land“. 3,5

Der daheim mit Awards und Platin-Platten geradezu überhäufte Landsmann

CHARLIE MAJOR

versucht jetzt sein Glück in Nashville, wo ihm mit Steve Fishell(E. Harris’Hot Band) einer der geschmackssichersten Produzenten effektiv zuarbeitet. Heraus kommt mit „Lucky Man“ (Arista/BMG) ein im besseren Sinne unspektakuläres, stilistischen Exkursionen aber durchaus zugeneigtes Country-Album, das nicht zuletzt dank Majors Autoren-Handschrift immer einen Tick anders – und damit besser – klingt als der Nashvüle-Mainstream. Kein Kunststück, mag man meinen, auch lugt Genosse Kitsch gelegentlich um die Ecke, aber trotzdem allemal: 3,0

„Fünf weitere Gründe, warum MATT KEATINC zum Soundtrack ihres Lebens gehören sollte“, verspricht der Sticker auf der EP „Candy Valentine“ (Alias/RTD), die mit Live- und Akustik-Tracks den Appetit aufs kommende Album „Killjoy“ wecken soll. Im Demo-Sound dieses Fünfer-Packs klingt der US-Songwriter Costello-esker als je zuvor, ohne dessen bittere Schärfe freilich. 3,5

Apropos: His MacManusness lieferte den Titelsong „Dirty Rotten Shame“ (SMIS) zum neuen Album von RONNIE DREW. Die irische Folk-Eiche covert sogar Little Village, gedenkt den Veteranen des spanischen Bürgerkriegs, huldigt schlitzohrig den Frauen („True Ron Ron“) sowie der grünen Heimat-Scholle und grantelt humorig gegen die „Eurolations“. 3,0

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