Roots

Falls es nicht aufgefallen ist: Die als „Country“ annoncierte Mai-Kolumne hätte natürlich unter „Songwriter“ erscheinen müssen. Um solche Konfusionen künftig zu vermeiden aber auch, um ohne Rücksicht auf Schubladen schnell auf besondere Veröffentlichungen reagieren zu können – wurde das Baby jetzt umgetauft: „Roots“. Was nicht heißt, daß hier nicht auch spezifisch bei den verschiedenen Genres traditioneller, ursprünglicher Musik Maß genommen wird. Die Grenzen sind freilich fließend.

Auf einer besonderen Grenze – nämlich der zwischen Gut und Böse – war STEVE EARLE zuletzt zu Hause. Die Festung von Nashville war zwar auch schuld am Niedergang des Hoffnungsträgers der class of ’86. Doch vor allem ist der Texaner Opfer seines übermächtigen Egos geworden, das mindestens so groß war (ist?) wie sein Appetit auf Drogen und Frauen. Um so erstaunlicher, daß sich Earle jetzt nach seinem Urlaub im Ghetto“ (O-Ton) in dieser Form zurückmeldet, natürlich auf einem Mini-Label: “ Train A Comin'“ (Winter Harvest-WH 3302-2/Import) wirft mit einer kleinen Akustik-Besetzung (Peter Rowan, Roy Huskey, Emmylou Harris), mit Covers (Van Zandt, Beatles) und etlichen, bisher nicht veröffentlichten Seventies-Songs einen Blick zurück auf den aufstrebenden Songwriter, der einfach schreiben und spielen, spielen und schreiben wollte und noch keine Tattoo-Rock-Flausen im Kopf hatte. Beruhigend zu wissen allerdings, daß er auch heute noch hinreißende Story-Songs wie die bittere Bürgerkriegs-Reminiszenz „Ben McCulloch“ hinbekommt. Der beste Steve Earle seit „Guitar Town“] 4,0 Ahnlich wie Earle konnte vor einer Dekade auch HIERAN KANE (ehemals bei den O’Kanes) ein Bein in die Tür des Country-Business stellen. Doch im allmählich abflauenden Boom steht er als Solist bei einem Major Label auf verlorenem Posten. Das selbstverlegte Album „Dead Rekoning“(Dead Reckoning Rec-DR 001/Import), mit einer erlesenen Studio-Crew um Drummer und Co-Producer Harry Stinson in gerade mal drei Tagen eingespielt und abgemischt, führt coolen Country-Twang und ganz ungeschminktes High’n’Lonesome-Sentiment ebenso verführerisch wie abgeklärt zusammen. Hätten solche Kane-Songs wie „He Never Knew What Hit Him“ und „If It’s Not Love“ heute eine Chance in Nashville, stünde es besser um „Music City US.A.“.4,0 Dort steht heute selbst ein RODNEY CROWELL in der zweiten Reihe, zumindest als Interpret Nach dem nebligen Rosanne-Cash-Nachruf „Life Is Messy“ und der nur soliden Pflichtübung „Let The Picture Paint Itself betont „Jewel Of The South“ (MCA) mit hitzigen Tracks wie „Say You Love Me“ und „Candy Man“ stärker die R&B-Roots des Texaners, ohne die Erfordernisse der gehobenen Country-Unterhaltung („Thinking About Leaving“, „Storm Of Love“) zu ignorieren. Rodeo-Swinger werden „The Ballad Of Possum Potez“ lieben. Vielleicht sein bestes Album seit „Keys To The Highway“, ohne dessen Ausstrahlung allerdings. 3,5 Als Crowell-Zwüling mit Marty-Feldman-Touch geht STEVE CONN durch. Rein optisch, versteht sich. Musikalisch entfuhrt der Sonny Landreth-Sidekick auf ,JRmr Of Madness“ (Taxim TX 2018-2/TIS) mit Little Feat-Grooves, Cajun-Feeling und Mardi-Gras-Fever zur Mitternachtsmesse ans Mississippi-Delta. Die mal beschaulich-kritischen („Good Intentions“), mal humorigschlauen („The One And Only Truth“) Songs des Pianisten dürften aber nicht nur beinharte New-Orleans-Fans ansprechen. 3,0 Was Kelly Willis fürs Country-Genre, ist SUE FOLEY für den Blues – Austins laszivste Lady nämlich. Auf ihrem Album“ß(g City Light“ (Antone’s/IRS 974201) schmeichelt „this charming woman“ Dylan- („If You Gotta Go“) ebenso wie Buddy-Guy-Songs („One Hundred Dollar Bill“). Und knackt dabei die Grenze – jenseits der bloßen Roots-Pflege.

3,0

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