Scissor Sisters – Ta-Dah
Immer wieder wird von diesen mysteriösen Platten geredet, die „einfach nur Spaß machen“. Angeblich. Als ob das einfach-Spaß-Machen eine so erlösende, die Menschen über jedes Intelligenz- und Sozialniveau hinweg zusammentackernde Geste wäre. Stimmt natürlich nicht: Gerade der Spaß grenzt immens viele Leute aus, die das, was da gemacht wird, im Moment nicht lustig finden. Oder prinzipiell nicht. Gewissermaßen hat die Club-Musik daraus ihre „politics of dancing“ gemacht – dass man eben auch im übertragenen Sinn vom Türsteher weggeschickt wird und dass das manchmal gut so ist. Wichtige Vorbemerkung, denn die zweite Platte der New Yorker Scissor Sisters klingt auch nach Friseusen-Disco, nach Jürgen Drews, Muppet-Show und Eurovisions-Grand-Prix, nach Goldhosen-Rock und nach dem, was holländische Gruppen während der reichlich späten 70er Jahre in Mike Leckebuschs „Musikladen“ vollführt haben. Und dass man überhaupt „trotzdem“ sagen muss, wenn man sagt, dass das trotzdem eine glänzende, vor Liebe und Euphorie fast platzende Platte ist, die irre selbstbewusst die Polonaise anführt und für heutige Verhältnisse revolutionär poppig klingt – dann liegt das daran, dass diese Band sich das scheinbar Triviale so demonstrativ um den Schwanenhals wirft, wie es sonst nur die Macher der großen, schrillen Oldie-Schwof-Kräuterlikör-Show tun.
In Großbritannien sind die bunten Scissor Sisters ja ein Top-Act, haben vom Debüt-Album 2004 offiziell drei Millionen verkauft und werden logischerweise mit Preisen nur so beklebt. Und selbstverständlich liegt das vor allem am Novelty-Faktor, von dem auch englische Heavy-Metal-Clowns und Comedy-Rapper profitieren. Dabei schreibt diese Gruppe eigentlich einen Mythos fort, den man aus den amerikanischen Filmen „Cabaret“ und „Fame“ kennt: die multitalentierten Selfmade-Entertainer aus der Arbeiterklasse, die sich hochgeschafft haben, den giftigen Lämpchen an der Broadway-Decke entgegen.
Ob das so war, ob sie tatsächlich so schwul und subkulturell sind, wie es heißt, ist egal. Sie verkörpern das, und es gibt ihrer Musik in jedem Hoppsasa-Moment eine Tiefe und Melancholie, die man in diesem Genre selten findet. Nicht nur, weil hier so viele Lieder vom Tod handeln und Sänger Jake Shears zu Suzie-Quatro-Gitarren und Synthesizern, die im Boogie-Rhythmus kokeln, „She’s my man!“ singt – in „Paul McCartney„, einem wie ein Krawattenknoten festgezurrten Funk-Stück mit slickem Chor und Saxofon-Solo, gibt es in jedem Refrain diese unglaublich rührende Stelle, wenn Shears im Traum den Beatle treuherzig fragt: „Is it the music that connects me to you?“
Wie auch immer: Die Scissor Sisters sind tausendmal besser als vor zwei Jahren. Sie haben, um im Jargon zu bleiben, den Hit-Quotienten auf zwölf erhöht und machen nicht nur einfach Spaß, sondern manchmal auch ziemlich kompliziert. Ein „Bett im Kornfeld“-hafter Tanz-Brecher erzählt von der Unlust am Tanzen, und der letzte Song endet mit einem A-cappella-Chor, der wiederholt: „Come on, come on, come on…“ Come on, ganz genau!