Semisonic – All About Chemistry
Ein Party-Album solle das neue Werk werden, hatte Semisonics Dan Wilson im Vorfeld angekündigt, und da wunderte man sich. Der Alternative-geschulte Betroffenheits-Pop des Trios aus Minneapolis taugte schließlich bislang nicht eben als Stimmungskanone, und obendrein schien Wilsons melancholische Lyrik auch nicht gerade Grund zu allzu großer Ausgelassenheit zu geben.
Doch Wilsons Verlautbarung ist bloß Koketterie: Ein Party-Album ist „AllAbout Chemistry“ nur insofern, als die Geschehnisse der 13 neuen Songs mehr oder minder allesamt auf einem Fest sich zutragen könnten – Wilson stilisiert die Disko zur Bühne des Lebens, bedenkt in betont schlichten Worten und simplen Gefühlen Selbstfindungspein und Liebesweh und reduziert das Ende der Jugend ins Szenische kleiner Vier-Minuten-Schauspiele. Das Vorgehen ist für Wilson kein neues; schon früher musste die Kneipe als symbolischer Ort für allerlei Übergänge und Initiationen herhalten, etwa bei „Closing Time“, jenem Lied, das Semisonic zumindest in der Heimat zu Superstars machte. Neu ist auf „AllAbout Chemistry“ die Abgeklärtheit, mit der Wilson die alten Themen behandelt. „Get a grip on yourself, take my advice/ I got a grip on myself and it feels nice“, empfiehlt er ganz befreit und verabschiedet sich so von allen allzu argen Wirrungen der beinahe überstandenen Adoleszenz.
Die neue Reife findet ihr Pendant in der Musik der Semisonics: Am Scheideweg zwischen Früh- und Hauptwerk wählt Wilson klassische Tugenden und gut geerdete Traditionen als Vehikel der Kunst und hievt die eigene Gabe so tatsächlich auf ein neues kreatives Plateau. Das Titellied, eine grandiose Vorlesung über Chemie, Sex und Lebensmut, klingt wie eine Mixtur aus „Allentown“ und „The Free Electric Band“, „Act Naturally“ schwelgt in lOcc-Sanftmut, und „She’s Got My Number“ wagt Pop-Tristesse und Prog-Rock-Padios. Wenn dann am Ende gar Carly Simon den Jungspund Wilson mit ihrem zeitlosen Gesangsund Kompositionsvermögen adelt, beginnt die Reise in den Musikhimmel.